Mit Blick auf die Europawahlen Ende Mai hat der Politikberater Johannes Hillje das Fehlen einer europäischen Öffentlichkeit beklagt. Über die EU werde zwar immer mehr berichtet, doch dominiere dabei die nationale Perspektive, sagte Hillje dem Evangelischen Pressedienst (epd). "In deutschen Medien hören wir Angela Merkel, deutsche Europaabgeordnete und womöglich den deutschen EU-Kommissar Günther Oettinger, aber kaum Vertreter anderer Mitgliedsländer", sagte Hillje unter anderem mit Blick auf Berichte zur EU-Asylpolitik.

Ein grenzüberschreitendes Zusammengehörigkeitsgefühl werde durch die "nationalen Filterblasen" blockiert, erklärte der in Berlin und Brüssel wirkende Politikberater und Kommunikationsexperte: "Das Kollektiv 'wir Deutsche' gibt es, das Kollektiv 'wir Europäer' kaum." Den Bürgern entgehen laut Hillje damit auch konkrete Argumente und Erfahrungen, die Politiker aus den jeweils anderen Mitgliedstaaten zum Beispiel in die Debatte über eine europäische Arbeitslosenversicherung einbrächten.

Einseitige Berichterstattung?

Die Medien berichteten nicht zuletzt deshalb einseitig, weil sie in Brüssel verglichen mit Berlin deutlich weniger Mitarbeiter einsetzten, erklärte Hillje. Die nationalen Politiker beförderten die Einseitigkeit: "Brüssel" werde immer wieder für Dinge kritisiert - etwa für das angebliche "Bürokratiemonster" Datenschutzgrundverordnung - die Vertreter der Mitgliedstaaten in den EU-Institutionen selbst mit beschlossen hätten, sagte der 33-Jährige, der im Europawahlkampf 2014 für die Grünen arbeitete.

Als Ausweg schlägt Hillje eine digitale "Plattform Europa" vor. Sie solle von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der EU etabliert werden. Dabei müssten ARD und ZDF zusammen mit Frankreichs öffentlich-rechtlichem Rundfunk eine Vorreiterrolle einnehmen, forderte Hillje. Auf der Plattform würde unabhängiger Journalismus über die EU mit einer Vielzahl von Stimmen entstehen, etwa Talkshows mit EU-Kommissaren und direkter Bürgerbeteiligung aus allen Ländern. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz könnten die Sendungen in alle EU-Sprachen übersetzt werden, sagte Hillje.

Das Zusammengehörigkeitsgefühl solle die Plattform durch Unterhaltung und Kultur fördern, beispielsweise "eine Reality-Show über eine Interrail-Reise oder ein 'House of Cards' aus Brüssel", sagte Hillje mit Verweis auf die erfolgreiche US-Serie über Politik in Washington. Politische Mitwirkung solle das Internetangebot stärken, indem es bereits vorhandene Möglichkeiten wie die Europäische Bürgerinitiative besser zugänglich mache. Ferner könnte die Plattform Apps enthalten, die den Mehrwert Europas alltagstauglich aufbereiten, etwa durch ein Portal für Ferienjobs in der ganzen EU.