Rom (epd). Als Papst Franziskus am Ende des Krisentreffens mit den Bischöfen im Vatikan sexuellen Missbrauch in die Nähe von Menschenopfern heidnischer Religionen, Sex-Tourismus, Pornografie im Internet, Organhandel und anderen Themen stellt, glauben selbst äußerst kirchenkritische Opferverbände ihren Ohren nicht. Tagelang hatten sie in Rom für einen offenen Umgang der Kirche und grundlegende Reformen demonstriert. Kardinal Reinhard Marx hatte sich als einer von wenigen Teilnehmern der Konferenz in Rom mit einigen von ihnen getroffen. Angesichts der Empörung gingen die Ankündigungen des Vatikans zwei Stunden später fast unter.
Franziskus werde ein offizielles Dokument über den "Schutz von Kindern und gefährdeten Personen" veröffentlichen und Veränderungen des Kirchenrechts veröffentlichen, kündigten die Organisatoren der Konferenz am 24. Februar an. Das Papstdokument wird in Form eines "Motu proprio" erscheinen, mit dem das Kirchenoberhaupt von ihm beschlossene Veränderungen verkündet.
Die Reformen im Kirchenrecht dürften die Forderungen nach einer Einführung von Straftatbeständen rund um sexualisierte Gewalt beinhalten. Bislang wird Missbrauch nur im Rahmen von Paragrafen um das Verbot, die Ehe zu brechen, behandelt. Überdies wird die vatikanische Glaubenskongregation ein "Vademecum" herausgeben, das Bischofskonferenzen der einzelnen Länder bei der Abfassung oder Aktualisierung ihrer eigenen Richtlinien im Umgang mit dem Phänomen Hilfe bieten soll.
Marx für kirchliche Verwaltungsgerichte
Zuvor hatten Bischöfe und Ordensobere aus aller Welt gemeinsam mit Kurienkardinälen drei Tage lang Berichte von Opfern angehört und konkrete Vorschläge gemacht. Eine Frau berichtete, wie sie als Jugendliche über Jahre von einem Priester mit Prügeln zum Sex und anschließend zu Abtreibungen gezwungen wurde, weil er keine Lust auf Verhütungsmittel gehabt habe.
Kardinal Marx rief bei der Konferenz zur Einführung von Verwaltungsgerichten in der katholischen Kirche auf, die den Umgang mit Missbrauch überprüfbar und einklagbar machen. Sogar das Päpstliche Geheimnis solle dafür eingeschränkt werden.
Im Verhältnis zur im Vatikan üblichen Geheimhaltung und Achtung einer weitgehenden Autorität der Bischöfe waren Berichte von Missbrauchsopfern über die Taten und deren Vertuschung sowie Forderungen nach Rechenschaftspflicht revolutionär. So offen waren Missstände in der katholischen Kirche im Vatikan noch nie ausgesprochen worden.
Doch nach dem Krisengipfel ist vor dem Gipfel: Vom 25. Februar an wollen die Organisatoren des Gipfels gemeinsam mit Chefs von Kurienbehörden im Vatikan über das weitere Vorgehen und die Umsetzung der zahlreichen Vorschläge der vergangenen Tage beraten.
Dabei gilt es jedoch zunächst, den durch die Papstbotschaft zum Abschluss des Gipfels entstandenen Glaubwürdigkeitsverlust auszugleichen. Er hatte zu Beginn der Tagung konkretes Handeln gefordert und stellte das Thema am Ende als allgemeines Menschheitsübel dar, das laut den UN in neun von zehn Fällen bei Mädchen im Rahmen der Familie stattfinde.