Ein katholisches Krankenhaus darf einem katholischen Chefarzt nach dessen Ehescheidung nicht wegen einer zweiten Heirat kündigen. Sehen kirchliche Glaubensgrundsätze darin bei katholischen Mitarbeitern einen schweren Loyalitäts-Verstoß, bei nichtkatholischen Mitarbeitern dagegen nicht, stellt diese Ungleichbehandlung eine Diskriminierung dar, urteilte am 20. Februar das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes begrüßte die Entscheidung der Richter. (AZ: 2 AZR 746/14)

Nur wenn die Einhaltung der katholischen Glaubens- und Sittenlehre für die berufliche Tätigkeit eine "wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte Anforderung darstellt", könne eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein, erklärte das Gericht. Dass ein Chefarzt wegen seiner zweiten Ehe seine Arbeit nicht mehr korrekt ausüben kann, sah das BAG dagegen nicht.

Im konkreten Fall ging es um einen Chefarzt des katholischen St. Vinzenz-Krankenhauses in Düsseldorf. Der Mediziner hatte in seinem Arbeitsvertrag erklärt, sich an die katholische Glaubens- und Sittenlehre zu halten. Diese beinhaltet auch die "heilige und unauflösliche Ehe". In der katholischen Grundordnung des kirchlichen Dienstes aus dem Jahr 1993 wurde festgelegt, dass im Fall einer Wiederheirat der leitende katholische Mitarbeiter gekündigt werden müsse. Mitarbeiter anderer Religionen hatten dies nicht zu befürchten.

Als der Chefarzt sich 2005 von seiner katholisch angetrauten Frau scheiden ließ und 2008 seine neue Lebensgefährtin standesamtlich heiratete, wurde er entlassen.

Jahrelanger Rechtsstreit

Am 8. September 2011 erklärte das BAG die Kündigung für unwirksam, da der Chefarzt im Verhältnis zu Kollegen mit anderer Religionszugehörigkeit gleichheitswidrig behandelt werde (Az.: 2 AZR 543/10). Das Bundesverfassungsgericht hob dieses Urteil 2014 jedoch auf. Das im Grundgesetz geschützte Selbstbestimmungsrecht der Kirche erlaube es, eigene Mitglieder schärfer zu sanktionieren als Nichtmitglieder (Az.: 2 BvR 661/12).

Das BAG legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor, da der EU-rechtliche Gleichheitsgrundsatz verletzt sein könne. Dies bestätigten die Luxemburger Richter und erklärten, dass kirchliche Arbeitgeber die Einhaltung kirchlicher Glaubensgrundsätze nur dann verlangen dürfen, wenn dies für die konkrete Tätigkeit "wesentlich und gerechtfertigt" sei.

Dies setzte das BAG nun in seinem aktuellen Urteil um. Die Kündigung des Chefarztes sei nicht durch Gründe im Verhalten oder in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt. Die Vorschrift in der Grundordnung zur Wiederverheiratung sei unwirksam. Eine Loyalitätspflicht sei damit nicht verletzt worden. Es sei aus der Tätigkeit des Chefarztes kein Grund ersichtlich, ihn wegen seiner Wiederheirat anders zu behandeln als nichtkatholische Kollegen. Die Ungleichbehandlung stelle eine Diskriminierung wegen der Religion dar.

Auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2014 stehe dem nicht entgegen. Denn EU-Recht dürfe die Voraussetzungen festlegen, unter denen kirchliche Arbeitgeber ihre Beschäftigten wegen der Religion ungleich behandeln können.

Gegen die Entscheidung kann der kirchliche Arbeitgeber erneut Verfassungsbeschwerde einlegen. In diesem Fall könnte es zu einem Konflikt zwischen dem Bundesverfassungsgericht und dem EuGH kommen, welches Gericht das letzte Wort hat.

Neue Grundordnung

Das Erzbistum Köln erklärte, es werde das schriftliche BAG-Urteil sowie "mögliche Konsequenzen intensiv prüfen". Es verwies zudem auf die mittlerweile 2015 geänderte und nicht mehr so strenge Grundordnung des kirchlichen Dienstes. Der Kündigungssachverhalt wäre nach heute geltendem Kirchenrecht anders zu beurteilen, hieß es.

Die Gewerkschaft ver.di bezeichnete das Urteil als "überfällig und wegweisend". Einem Mitarbeiter zu kündigen, weil er ein zweites Mal geheiratet habe, finde auch in der Gesellschaft keine Akzeptanz mehr, sagte Sylvia Bühler vom ver.di-Bundesvorstand.

Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes begrüßte die BAG-Entscheidung. Sie stelle klar, dass kirchliche Arbeitgeber ihren Beschäftigten keine Loyalitätspflichten auferlegen dürfen, die nicht im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit stehen. "Kirchliche Arbeitgeber werden deshalb in Zukunft Loyalitätspflichten genau prüfen und sorgfältig begründen müssen", sagte Bernhard Franke, der kommissarische Leiter der Antidiskriminierungsstelle.

Der kirchenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Konstantin von Notz, sieht in dem Urteil einen "Schritt für mehr Rechtsklarheit" für die etwa 1,3 Millionen Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen in Deutschland.