Die NS-Gedenkstätten in Nordrhein-Westfalen haben 2018 einen Besucherrekord erlebt: Insgesamt fast 400.000 Menschen kamen nach Angaben der Landesregierung in die 28 Gedenkorte im Land. Rund ein Drittel davon seien Schülergruppen, die bei Seminaren und Führungen sogar auf einen Anteil von 70 Prozent kommen. Der Evangelische Pressedienst (epd) fragte bei sechs Gedenkstätten in Köln, Düsseldorf, Münster, Büren, Herford und Schloss Holte-Stukenbrock nach der Entwicklung.

Das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln verzeichnete binnen eines Jahres einen Besucheranstieg um vier Prozent: Mehr als 92.700 Menschen kamen 2018 in die Einrichtung, die zugleich Museum und Gedenkstätte ist. Damit werde bereits das 17. Jahr in Folge ein neuer Höchststand erreicht, sagte Sprecher Werner Jung dem epd. Das NS-Dokumentationszentrum befindet sich im EL-DE-Haus in der Kölner Innenstadt, das früher Zentrale der Gestapo war.

Die Düsseldorfer Mahn- und Gedenkstätte registrierte 2017 knapp 33.500 Besucher, das waren rund 3.700 mehr als im Vorjahr. Im Gegensatz zum Gesamttrend ging diese Zahl 2018 leicht zurück auf knapp 32.000 Besucher. Der Erinnerungsort Alter Schlachthof in der Landeshauptstadt zählte im vergangenen Jahr 3.200 Besucher bei Führungen und Veranstaltungen, 2017 waren es etwa 2.000.

Im Geschichtsort Villa ten Hompel in Münster wuchs die Besucherzahl seit 2015 pro Jahr durchschnittlich um rund 1.700 und betrug im vergangenen Jahr 33.155, wie Sprecher Peter Römer dem epd mitteilte. In einer Dauerausstellung in dem früheren Wohnhaus des Zementfabrikanten Rudolf ten Hompel (1878-1948) geht es unter anderem um die Verbrechen der Ordnungspolizei im Zweiten Weltkrieg und um die Entnazifizierung.

Die Wewelsburg in Büren besuchten im vorigen Jahr knapp 52.000 Menschen, etwa 14.300 nahmen an Veranstaltungen wie Vorträgen und Lesungen teil. Die jährliche Besucherzahl stieg im Vergleich zum Vorjahr leicht, 2017 betrug sie rund 50.500. Die Wewelsburg sollte während des Nationalsozialismus zu einem ideologischen Zentrum der SS ausgebaut werden.

Auch die Gedenkstätte Zellentrakt in Herford berichtete von einem steigenden Interesse. 2018 kamen nach Angaben des Stadtarchivs mehr als 3.500 Menschen in das ehemalige Gefängnis von Kriminalpolizei und Gestapo.

Die vergleichsweise kleine NS-Dokumentationsstätte Stalag 326 in Schloss Holte-Stukenbrock bei Bielefeld lag nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr mit 2.400 Besuchern auf dem Niveau der Vorjahre.

Land erhöht Förderetat

"Vor dem Hintergrund zunehmender antisemitischer Vorfälle ist es heute wichtiger denn je, über die Verbrechen des Nationalsozialismus aufzuklären", sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Kultur- und Wissenschaftsministerium, Klaus Kaiser (CDU). Gedenkstätten und Erinnerungsorte seien auch von großer Bedeutung, weil die Generation der Zeitzeugen immer kleiner werde: "Gerade jüngeren Menschen fehlt der persönliche Bezug zu dieser Generation, der die Großeltern schon meist nicht mehr angehören." Wünschenswert sei daher eine stärkere Kooperation der Gedenkstätten mit Schulen und Jugendeinrichtungen.

Für die Förderung der Gedenkstättenarbeit stellt das Land im laufenden Jahr mehr Geld bereit. Der entsprechende Etat im Landeshaushalt wurde gegenüber 2018 um 20 Prozent auf 1,8 Millionen Euro erhöht. Unterstützt werden damit nach Angaben des Landes vor allem die Neukonzeption von Dauerausstellungen im Zuge des digitalen Wandels, aber auch Sonderschauen sowie die Weiterbildung der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter. Hauptgeldgeber für den Erhalt der NS-Gedenkstätten sind die jeweiligen Kommunen.

"Wir dürfen den Schrecken des Nationalsozialismus nie vergessen. Es ist unsere Aufgabe, über den Zweiten Weltkrieg und den Völkermord an den Juden aufzuklären und eine wache Erinnerungskultur zu schaffen", machte Kaiser deutlich. Deshalb werde die Aufarbeitung der NS-Zeit fortgesetzt und weiterentwickelt. Entsprechend haben die NS-Gedenkstätten in NRW auch einen wissenschaftlichen Forschungsauftrag und sind international vernetzt. Sie arbeiten unter anderem mit der Gedenkstätte Yad Vashem im Jerusalem sowie dem United States Holocaust Museum in Washington zusammen.

Kaiser besucht noch das ganze Jahr über alle NS-Gedenkstätten in NRW, um sich über die Lage vor Ort zu informieren. Ende Oktober wird in Münster eine internationale Tagung zur NS-Täterforschung stattfinden. Mit dabei ist der US-Historiker und Holocaust-Forscher Christopher Browning, der mit seinem 1993 erschienenen Buch "Ganz normale Männer" ein Standardwerk zum Thema geschrieben hat. Veranstaltungsort ist die Gedenkstätte Villa Ten Hompel, die den Beitrag von Polizei und Verwaltung am Holocaust und anderen NS-Verbrechen untersucht. In der einstigen Fabrikantenvilla befand sich ab 1940 die Dienststelle des regionalen Befehlshabers der NS-Ordnungspolizei.