Das bunte Wesen an der Wand sieht aus wie ein großer Geist. Der "Sorgen-Fresser", gestaltet von einer Frau mit Behinderungen, soll negative Gedanken vertreiben und Mut machen. Auf der gegenüberliegenden Wand zeigt ein mehrere Meter hohes Tattoo zwei Punkte, die durch einen Strich wie durch eine Mauer getrennt sind. Die Tätowierung, gemalt von einem Gefangenen, symbolisiert Abschottung im Gefängnis. Für die Ausstellung, die bis 19. Januar im Forum des Herforder Marta-Museums zu sehen ist, haben sich behinderte Menschen und junge Häftlinge über Gewalt und Ausgrenzung kreativ ausgetauscht.

Rund 50 behinderte und inhaftierte Menschen haben sich bei dem Projekt "Als wären wir zum Spaß hier - Grenzen und Gewalt" in mehreren Workshops mit dem Thema beschäftigt. Begleitet wurden sie dabei von den Künstlern und Designern Ingrid Hora aus Berlin und Matthias Megyeri aus Stuttgart.

US-Präsident Trump im Käfig

Andrea Herse legt kurz vor Ausstellungsbeginn noch letzte Hand an die Gefängnisse aus Kaninchendraht an. In einer Art Vogelkäfig ist eine dunkle Vogelgestalt mit einem hellen Haarschopf als Gefangener zu sehen - US-Präsident Donald Trump. Mit ihrem Werk stellt die behinderte Frau ihre persönlichen Ausgrenzungserfahrungen in einen globalen Zusammenhang. "Es ist einfach nicht richtig, dass in der USA Menschen durch einen Grenzzaun von einander getrennt werden sollen", findet sie. Wenn der Präsident einmal selbst erlebe, wie es sei, eingesperrt zu sein, würde er vielleicht seine Einstellung ändern.

Ein paar Meter weiter zeigen auf Tafeln angeordnete Schlüssel eine Biografie eines Strafgefangenen: Mal herrscht Ordnung unter den Schlüsseln, dann wieder stecken kaputte Schlüssel hinter einem Zaun fest. Das Schlüssel-Chaos stehe für eine Situation, in der etwas passiert sei, das einen aus der Bahn wirft, erzählt der junge Häftling. Bei ihm selbst das sei der Tod seines jüngeren Bruders gewesen, berichtet er: "Danach ging es bei mir bergab." Mehrere kleinere Delikte hätten zu einer zweieinhalbjährigen Gefängnisstrafe geführt. Bei dem Ausstellungsprojekt habe er sich mit seiner Situation auseinandergesetzt. Auf dem letzten Objekt der Reihe zeigen die Schlüssel eine offene Zukunft.

Marta-Direktor lobt "eigenwillige und herausragende Kooperation"

Marta-Direktor Roland Nachtigäller nannte das Projekt eine "eigenwillige und herausragende Kooperation". Ausgangspunkt für die Kooperation war eine im Jahr 2016 im Marta gezeigte Ausstellung "Brutal schön - Gewalt und Gegenwartsdesign". Der Projekttitel "Als wären wir zum Spaß hier - Grenzen und Gewalt" bezieht sich auf die wissenschaftliche Publikation zur Wittekindshofer Geschichte mit dem Titel "Als wären wir zur Strafe hier", in der Gewalt gegen Menschen mit geistiger Behinderung in den 1950er und 1960er Jahren aufgearbeitet wird.

Viele der Inhaftierten, die bei ihren Delikten selbst Gewalt ausgeübt haben, hätten auch selbst Gewalt erfahren, sagt der Leiter der JVA Herford, Friedrich Waldmann. Damit seien die jungen Strafexperten so etwas wie "Experten" beim Thema Gewalt. Statt schneller Vorurteile verdienten die unterschiedlichen Biografien eine sorgfältige Betrachtung. Er sei beeindruckt, wie gut die beiden Gruppen, die oft mit Vorurteilen konfrontiert würden, zusammengearbeitet hätten.

Aufarbeitung der Vergangenheit

Die Diakonische Stiftung Wittekindshof befasse sich seit Jahren mit der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit, erzählt Vorstandssprecher Dierk Starnitzke über die Anfänge des Projekts. Das betreffe die Zeit des Nationalsozialismus, in der etwa 1.000 behinderte Menschen aus den Einrichtungen abtransportiert wurden. Aufgearbeitet werde aber auch die Nachkriegszeit, in der es durch eine mangelhafte Betreuungssituation zu Gewalt und Misshandlungen gekommen sei. Aber auch heute machten behinderte Menschen Erfahrungen von Ausgrenzung, sagte Starnitzke.

Zumindest in dem Kunstprojekt hat sich das geändert: Die gemeinsame Arbeit mit behinderten Menschen, sagt der junge Häftling, habe seine Perspektive verändert. "Die behinderten Menschen sind alle sehr nett, einige brauchen Hilfe", erzählt er. Daher unterstütze man sich hier ganz selbstverständlich gegenseitig.