Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt gegen Correctiv-Chefredakteur Oliver Schröm. Der Investigativjournalist ist wegen seiner Enthüllungen zum Cum-Ex-Steuerskandal in den Fokus der Behörde geraten, wie das Recherchebüro am 11. Dezember in Berlin bekanntgab. Hintergrund sind Berichte Schröms aus dem Jahr 2014 und ein Schweizer Verfahren gegen den Journalisten. Die Strafverfolgungsbehörde bestätigte auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) die Ermittlungen wegen des Verdachts der Anstiftung zum Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen und unbefugter Verwertung.

Die Ermittlungen dauerten noch an, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Das Verfahren sei bereits am 30. Mai aus der Schweiz übernommen worden. Dort ermittelte die Staatsanwaltschaft Zürich gegen Schröm wegen des Vorwurfs der Wirtschaftsspionage und der Verletzung des Geschäftsgeheimnisses.

"Ein Spion"

Der Investigativjournalist beschäftigt sich bereits seit mehreren Jahren mit den Steuerdeals. Ende 2017 wechselte er zu dem gemeinnützigen Recherchebüro. Die Ermittlungen beziehen sich auf frühere Recherchen Schröms. Er hatte 2014 für den "Stern" über die Cum-Ex-Geschäfte unter anderem der Schweizer Privatbank Sarasin berichtet. Aufgrund einer Anzeige der Bank ermittelte die Züricher Staatsanwaltschaft gegen Schröm und bat nach Correctiv-Angaben vier Jahre nach Beginn der Untersuchungen die Hamburger Staatsanwaltschaft um die Übernahme des Verfahrens.

"Aus Sicht der Schweizer Justiz sitzt vor Ihnen ein Spion", sagte Schröm. Es sei nicht verwunderlich, dass die Schweiz gegen Journalisten vorgehe, aber nicht gegen Banken. Allerdings bringe es ihn zum Grübeln, dass die Staatsanwaltschaft Hamburg nun das Verfahren übernommen habe. "Es ist eine Kriminalisierung von investigativem Journalismus", betonte er. Grundlage für das deutsche Verfahren ist der Paragraf 17 im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Laut Correctiv ist es das erste Mal, dass dieser Paragraf gegen Journalisten angewendet werde. Schröm droht demnach im schlimmsten Fall eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.

In einem offenen Brief an Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Bundesjustizministerin Katarina Barley (beide SPD) fordert Correctiv nun, die Strafverfolgung gegen Journalisten umgehend zu beenden, die Pressefreiheit zu schützen und die wahren Schuldigen vor Gericht zu bringen. "Steuerraub ist ein Verbrechen. Journalismus nicht", heißt es darin.

"Angriff auf Pressefreiheit"

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Frank Überall, äußerte sich "entsetzt" über das Ermittlungsverfahren. Dies sei ein "Angriff auf die Pressefreiheit". Im Cum-Ex-Fall, bei dem es um Milliardenbetrug zulasten der deutschen Steuerzahler gehe, liege ein besonderes öffentliches Interesse vor, fügte er hinzu.

Zugleich verwies Überall auf den Gesetzentwurf zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen, der am 12. Dezember im Rechtsausschuss des Bundestags beraten werden sollte. In Deutschland müsse sichergestellt werden, dass das Grundrecht auf Pressefreiheit und die Anstiftung zum Verrat von Geschäftsgeheimnissen nicht gegeneinandergestellt würden. Es sei wichtig, dass Journalisten von Informanten angesprochen werden könnten, betonte er. Bei dem im Parlament behandelten Gesetz handelt es sich um die Umsetzung einer EU-Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung.

Correctiv hatte im Oktober gemeinsam mit 18 Medienhäusern aus zwölf europäischen Ländern investigative Enthüllungen zu Cum-Ex-Geschäften veröffentlicht. Den von Schröm geleiteten Recherchen zufolge sind dem Fiskus in diesen Ländern mit Cum-Ex- und ähnlichen Aktiengeschäften mindestens 55 Milliarden Euro entgangen.

Bei Cum-Ex-Geschäften ließen sich Anleger unter Ausnutzung einer Gesetzeslücke und mithilfe von Banken eine nur einmal gezahlte Kapitalertragssteuer mindestens zwei Mal erstatten. Ob es sich dabei um strafbares Verhalten handelte, ist noch nicht höchstrichterlich geklärt.