"Mir gefällt besonders das Miteinander auf Augenhöhe", sagt Markus Hirt. Der 56-jährige Sozialpädagoge ist einer der neun Mitstreiter, die sich im oberbayerischen Utting am Ammersee für ein alternatives Wohnprojekt einsetzen. Interessiert sind sie an einem 5.000 Quadratmeter großen Grundstück am Ortsrand. Dort will die Initiative Wohnungen für 30 Personen sowie einige Gewerberäume bauen. Funktionieren soll das Ganze nach dem Modell der Freiburger Mietshäuser Syndikat GmbH. Dabei geht es um "Gemeineigentum an Haus und Grund", finanziert durch Kredite von Privatpersonen, die an sozialen Projekten interessiert sind.

Aufbauhilfe erhält die Uttinger Initiative vom Münchner Syndikat-Haus "Ligsalzstraße 8", das bereits seit elf Jahren existiert. Unter der Adresse befindet sich im ehemaligen Arbeiterviertel Westend ein mehrstöckiges Mietshaus, das schon von außen das Anderssein signalisiert. Pflanzen ranken sich an der Hauswand empor, die Fassade ist himmelblau gestrichen und mit Figuren und Szenen bemalt.

Idee aus Freiburg

Aus den Fenstern im zweiten Stock hängt ein Transparent mit der Aufschrift "Keine Abschiebung nach Afghanistan". Unten, im Erdgeschoss, geht gerade ein Sonntagsbrunch über die Bühne, eine Weißwurst kostet einen Euro, der Kaffee 1,50 Euro. Mittendrin steht Sabine, Gründungsmitglied des Projekts, die zu den zwölf Bewohnern des Hauses zählt. Die 53-jährige Informatikerin erklärt, wie ein Syndikathaus funktioniert und lacht, wenn man sie fragt, ob es Zuschüsse von der Stadt gebe. "Nein", sagt sie, der Stadtrat bekomme ja Angst, wenn er das Wort Syndikat nur höre. In der Tat sind die Wohnprojekte nach diesem Modell größtenteils eigenfinanziert. Staatliche Hilfen gibt es keine.

Die Grundidee eines Mietshäusersyndikats stammt aus Freiburg. Dabei geht es um den Ankauf von Mietshäusern durch private Initiativen, deren Mitglieder dann zu Hausbewohnern werden. Das Mietshaus soll so auf Dauer Spekulanten entzogen werden. Ziel ist, bezahlbaren Wohnraum ohne Gewinnabsicht zu schaffen - nach dem Motto "Wohnen soll keine Ware sein".

Konkret und juristisch funktioniert das so: Die Initiative gründet einen Hausverein. Dieser Verein ist einer der Gesellschafter der Haus-GmbH, in die das Mietshaus und das Grundstück eingebracht wird. Weitere Gesellschafterin ist die Mietshäuser Syndikat GmbH – eine Art Kontroll- und Wächtergremium. Sie verhindert mit ihrem Stimmrecht, dass das Haus wieder verkauft werden kann. So ist der gemeinschaftliche Charakter des Projekts garantiert.

Gemeinschaftlich meint auch, dass die Mieter nicht unbedingt zu den Besitzern gehören müssen. Ein Mieterwechsel ist möglich. Mittlerweile haben sich 136 Projekte und 17 Initiativen quer durch die ganze Bundesrepublik unter dem Dach des Syndikats nach diesem Modell zusammengeschlossen.

Direktkredite

Da ist neben dem Projekt in München zum Beispiel die "Betriebsküche" in Dresden. Dort haben seit 2014 zwölf Personen die ehemalige Küche der Deutschen Bahn gekauft und verwandeln sie in ein Wohnprojekt. Oder die "Meuterei" in Leipzig, hier wohnen seit 2011 auf 535 Quadratmeter elf Menschen. Syndikat-Häuser gibt es auch in Hamburg ("Arnoldstraße 16"), Bremen ("Freies Haus 3d"), Hannover ("Stadtteilleben") oder Regensburg ("Danz").

Und wie sieht die Finanzierung konkret aus? "Wir müssen jeden Monat 4.200 Euro für die Kredite aufbringen", erläutert Sabine von der Ligsalzstraße 8. Das entspricht einer Monatsmiete von rund 350 Euro pro Zimmer. Das Haus hat mit den Renovierungskosten 865.000 Euro gekostet. "Das war noch vor dem Immobilienboom", erklärt Sabine. Diese Summe wurde hauptsächlich über 40 Direktkredite aufgebracht, ein kleinerer Teil stammt aus einem Bankkredit.

Die Direktkredite funktionieren nach dem Prinzip "Lieber 1.000 Freunde im Rücken als eine Bank im Nacken". Das heißt, sympathisierende Privatpersonen leihen den Projekten Geld. In Utting wirbt man um die Direktkredite mit Transparenz: "Die Verwendung der Mittel ist jederzeit klar. Bei uns können Sie überdies jederzeit vorbeischauen um zu sehen, was Ihr Geld gerade macht", wird potenziellen Geldgebern erklärt.