Der Kompromissvorschlag der Bundesregierung zur Neuregelung des Werbeverbots für Abtreibungen stieß am 13. Dezember auf geteilte Reaktionen. Die Gießener Ärztin Kristina Hänel sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), es werde dabei bleiben, "dass wir Ärzte nicht frei informieren dürfen". Hänels Verurteilung zu einer Geldstrafe - weil sie darüber informierte, dass sie Abtreibungen durchführt - hatte die Debatte über den Paragrafen 219a ausgelöst und hat nun zu der geplanten Gesetzesnovelle geführt. Hänel sagte, sie werde den gerichtlichen Weg weitergehen.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, sagte hingegen im Deutschlandfunk, er sehe die Chance, das Thema im Interesse von Frauen und Ärzten zu lösen. Die neue CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer lobte die Einigung. Aus der SPD war zunächst wenig zu hören. Die SPD-Frauenorganisation lehnte den Kompromiss klar ab, ebenso Frauenverbände und pro familia. Die FDP bezeichnete den Regierungs-Vorschlag als "nicht ausreichend". Grüne und Linke fordern weiter die Streichung des Paragrafen.

Details für Januar angekündigt

Dem am 12. Dezember veröffentlichten Einigungspapier zufolge sollen staatliche Stellen damit beauftragt werden, Informationen zur Verfügung zu stellen, welche Ärzte und medizinischen Einrichtungen Abtreibungen vornehmen. Beauftragt werden sollen die Bundesärztekammer und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Der Informationsauftrag soll im umstrittenen Paragraf 219a verankert werden. Details wurden für Januar angekündigt.

Kramp-Karrenbauer schrieb beim Kurznachrichtendienst Twitter, der Schutz des Lebens, ungeborenes und geborenes, habe für die CDU überragende Bedeutung. Deshalb sei es gut, dass das Werbeverbot bleibe. In einer Erklärung vom 12. Dezember betonte die CDU, wenn der Gesetzestext vorliege, werde man darauf achten, dass keine Abschaffung des Werbeverbots durch die Hintertür erfolge.

Ärztepräsident Montgomery sagte, niemand wolle für Schwangerschaftsabbrüche werben. Schwangere Frauen müssten sich aber über das Verfahren informieren können. Die FDP bemängelte hingegen, dass der Handlungsspielraum von Ärzten eingeschränkt bleibe. Der Vize-Fraktionsvorsitzende Stephan Thomae sagte, er verstehe den Kompromiss so, dass Ärzte auch künftig nicht selbst über Schwangerschaftsabbrüche informieren dürfen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) stellte im Magazin "Focus" in Aussicht, die Regierung werde "genau definieren, welche Informationen der Arzt geben darf."

Warten auf Konkretisierung

Grüne, Linke, SPD und zuletzt auch die FDP hatten hingegen für die vollständige Streichung des § 219a plädiert. Auf Antrag der FDP sollte darüber im Bundestag abgestimmt werden. Daran hielt die FDP-Fraktion fest.

Die Chefs der Koalitionsfraktionen hatten sich in ersten Reaktionen zurückhaltend geäußert. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) sagte, "die Koalitionsfraktionen warten nun die weitere Konkretisierung der angesprochenen Punkte ab." Es sei gut, dass es einen Kompromissvorschlag gebe, erklärte die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles.

Der Gesundheitspolitiker und stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Karl Lauterbach verteidigte den Kompromiss in einer Bundestagsdebatte. Die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF), Maria Noichl, sagte hingegen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, die SPD-Frauen könnten der Einigung "niemals zustimmen."

Kirche begrüßte Ankündigung

Die Grünen-Fraktion sprach von einem "unausgegorenen Vorschlag". Der Paragraf 219a müsse aus dem Strafgesetzbuch gestrichen, und es müssten klare Regelungen zur Informationsfreiheit gefunden werden, erklärten die frauenpolitische Sprecherin Ulle Schauws und Katja Keul, Sprecherin für Rechtspolitik. Für die Linksfraktion erklärte deren Frauenpolitikerin Cornelia Möhring, es werde sich nichts ändern. Der angebliche Kompromiss sei eine "Nullnummer" und offenbare nur die Schwäche der SPD in der Koalition.

In der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) stößt der Kompromiss weitgehend auf Zustimmung. Die Kirche begrüße die Ankündigung der Bundesregierung, in der Frage des Werbeverbots für Klarheit zu sorgen, erklärte der EKD-Bevollmächtigte in Berlin, Martin Dutzmann. Es sei richtig, wenn auch weiterhin nicht für den Schwangerschaftsabbruch geworben werden dürfe, die betroffenen Frauen sich aber darüber informieren könnten.

Mehr Rechtssicherheit für Ärzte

Um den Kompromiss war innerhalb der Bundesregierung lange gerungen worden. Verhandelt wurde er von Justizministerin Katarina Barley, Familienministerin Franziska Giffey (beide SPD), Innenminister Horst Seehofer (CSU) Gesundheitsminister Jens Spahn und Kanzleramtschef Helge Braun (beide CDU).

Um Ärzten Rechtssicherheit zu geben, soll "rechtlich ausformuliert" werden, dass sie, wie auch Krankenhäuser, darüber informieren können, wenn sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Unklar blieb, ob sie selbst informieren oder auf die staatlich beauftragten Informationen hinweisen können sollen.