Düsseldorf (epd). Der Düsseldorfer Landtag hat am 12. Dezember den umstrittenen Entwurf des neuen Polizeigesetzes verabschiedet. Eine parlamentarische Mehrheit der Regierungsfraktionen von CDU und FDP sowie der SPD-Opposition stimmte dem Entwurf zu. Die Grünen erwägen Klage vor dem Verfassungsgericht. Kritik äußerte auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International.
Das neue Gesetz weitet die Befugnisse der Polizei bei der Terrorabwehr und Alltagskriminalität deutlich aus - insbesondere bei der Überwachung von digitaler Kommunikation und dem Umgang mit Gefährdern. Nach Kritik von Datenschützern und Menschenrechtlern wurde der ursprüngliche Entwurf aber in vielen Punkten leicht entschärft.
Überwachung von Messengerdiensten nur mit richterlicher Anordnung
So wurde der umstrittene Begriff der "drohenden Gefahr" für die Ausweitung von Polizeimaßnahmen im Vorfeld möglicher Straftaten gestrichen. Die Überwachung von Messengerdiensten wie WhatsApp oder Internettelefonie wie Skype ist nun nur mit richterlicher Anordnung in speziellen Fällen zugelassen. Träger von Berufsgeheimnissen wie Ärzte oder Rechtanwälte dürfen nicht überwacht werden.
Eine der wichtigsten Änderungen betrifft den sogenannten Unterbindungsgewahrsam mutmaßlicher Gefährder zur Verhinderung einer unmittelbar bevorstehenden Straftat. Er sollte von derzeit 48 Stunden auf einen Monat ausgeweitet werden - jetzt sind es höchstens zwei Wochen. Darüber hinaus ist jetzt anwaltlicher Beistand verpflichtend, im ursprünglichen Entwurf war dies optional. Der Gewahrsam darf nur dann von einem Richter angeordnet werden, wenn eine schwere Straftat bevorsteht, die mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bewehrt ist - zum Beispiel ein Terroranschlag.
SPD-Rechtexperte Hartmut Ganzke betonte, die SPD könne den Gesetzentwurf mittragen, weil dieser in intensiven Verhandlungen mit der Landesregierung "entschärft" worden sei. "Das ist kein Gesetzentwurf, der die Freiheitsrechte in Abrede stellt. Wir werden ein verfassungskonformes Gesetz auf den Weg bringen, das auch Akzeptanz bei den 40.000 Polizisten finden wird."
Zustimmung von Polizeigewerkschaft
Die Deutsche Polizeigewerkschaft NRW begrüßte das neue Gesetz. Es sei wichtig, dass die Kollegen nun auch rechtssicher arbeiten könnten, erklärte Landesvorsitzender Erich Rettinghaus. Das Gesetz stehe nun im Einklang mit dem Datenschutz unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit. Das Gesetz habe den Charakter, als Vorlage für andere Bundesländer zu dienen.
Zustimmung äußerten auch die FDP-Politiker Gerhart Baum und Burkhard Hirsch. "Aus der Reihe der Landespolizeigesetze, die in jüngerer Vergangenheit aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und Vorgaben der EU novelliert wurden, ist das nordrhein-westfälische Polizeigesetz das freiheitsschonendste", sagten Baum und Hirsch dem "Kölner-Stadtanzeiger" (13. Dezember). Der ursprüngliche Gesetzentwurf sei in den entscheidenden Punkten verändert und wesentlich verbessert worden. Intelligente Videoüberwachung wie am Berliner Bahnhof Südkreuz bleibe unzulässig.
Kritik von Bürgerrechtlern
Dagegen kritisierte die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Verena Schäffer, das Gesetz scharf: "Mehr polizeiliche Befugnisse schaffen nicht automatisch mehr Sicherheit, schränken aber die Grundrechte ein". Das Trennungsgebot zwischen Nachrichtendiensten und Polizei werde ausgeweitet. Ganz offenbar sei der "grottenschlechte" Gesetzentwurf vor den erfolgten Nachbesserungen verfassungswidrig gewesen.
Auch das aus Bürgerrechtlern und Verbänden bestehende Bündnis "Polizeigesetz NRW stoppen!" kündigte die Prüfung einer Verfassungsbeschwerde und weiteren Widerstand an. "Der Protest gegen Gesetzesverschärfungen wie diese wird mit der Verabschiedung nicht verstummen. Wir werden uns gegen weitere bereits geplante autoritäre Gesetzespakete wehren", hieß es in einer Presseerklärung. Die Gesetzesänderungen seien rein kosmetischer Natur. Es bleibe eine "krasse Verschärfung des Polizeigesetzes."
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sieht in dem Gesetz eine Gefährdung zentraler Rechtsstaatsprinzipien und elementarer Menschenrechte. Es sei völlig unklar, welche Tatsachen eine Annahme rechtfertigen können sollen, dass jemand innerhalb eines übersehbaren Zeitraums eine Straftat begehen werde, kritisierte die Menschenrechts-Expertin Maria Scharlau am 12. Dezember in Berlin. Die Anhaltspunkte, die Maßnahmen wie Fußfesseln, Aufenthaltsverbote oder Telefonüberwachung rechtfertigen sollen, seien zu vage. Das verstoße gegen die Unschuldsvermutung, weil Menschen durch die Maßnahmen de facto bestraft würden, ohne dass sie sich strafbar verhalten hätten.