Essen, Düsseldorf (epd). Ungewöhnliche Wege beschreitet die evangelische Kirchengemeinde Essen-Haarzopf dieses Jahr bei den Gottesdiensten zu Heiligabend. Weil im vergangenen Jahr einige Besucher am 24. Dezember wegen Überfüllung der Kirche oder des Gemeindezentrums abgewiesen werden mussten, vergibt die Kirchengemeinde jetzt Eintrittskarten für die Gottesdienste. Davon betroffen sind drei Gottesdienste in der Kirche Haarzopf (14.30, 16 und 18 Uhr) sowie zwei Gottesdienste im Gemeindezentrum Fulerum (14.30, 16 Uhr). Die Christmette um 23 Uhr im Gemeindezentrum ist von dieser Regelung ausgenommen, weil um diese Uhrzeit erfahrungsgemäß nicht so viele Menschen kommen.
Pastorin Anne Simon ist sich bewusst, dass die Gemeinde mit dem Prozedere Neuland betritt. Deshalb hat sie das Verfahren auch auf den Internetseiten der Gemeinde, die rund 2.900 Mitglieder zählt, noch einmal ausführlich erklärt. Es gehe nicht darum, irgendwelche Besucher "vom Gottesdienst auszuschließen", sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ziel sei es, unschöne Szenen wie im Vorjahr zu vermeiden, als es am Eingang zur Kirche zu Wortgefechten und Pöbeleien kam, weil nicht mehr jeder Besucher in die Kirche kommen konnte.
Zudem könnten die Kirchgänger auch nicht in den Gängen stehen, erklärt Simon. Das verböten die Sicherheitsauflagen, die nach dem Loveparade-Unglück von Duisburg und den diversen Terroranschlägen im In- und Ausland verschärft worden seien. Rettungswege müssten frei gehalten werden. Die Kirche in Haarzopf bietet rund 330 Gläubigen Platz, das Gemeindezentrum Fulerum hat 170 Plätze. Mit der neuen Regelung wolle man "Enttäuschung, Ratlosigkeit und Ärgernis" bei den Gläubigen verhindern. Die Karten sind unter anderem im Gemeindebüro oder nach den Adventsgottesdiensten bei den Presbytern zu erhalten.
Und wer keine Karte für Heiligabend mehr bekommt, der könne ja auch am Ersten Weihnachtsfeiertag in den Gottesdienst kommen, betont Simon. Da sei dann wieder genug Platz für alle. Ob das neue Verfahren ein Erfolg wird, bleibt abzuwarten. Einige Gemeindemitglieder hatten - offenbar aus Trotz - schon angekündigt, ohne Eintrittskarte zu dem Gottesdienst kommen zu wollen.
Bei der Evangelischen Kirche im Rheinland hat man auf jeden Fall Verständnis für das Vorgehen. Das sei eine "sinnvolle und nachvollziehbare Lösung", sagt der Sprecher der Landeskirche, Jens Peter Iven. Die Gemeinden müssten nun einmal den großen Menschenandrang in den Kirchen zu Heiligabend bewältigen und zugleich die Sicherheitsauflagen berücksichtigen. Bislang sei die Gemeinde Essen-Haarzopf allerdings die einzige, die das auf diesem Wege regele. "Andere Gemeinden nehmen dafür einen Sicherheitsdienst", sagt Iven. Die müssten die Leute dann eben abweisen, wenn die Kirche voll ist.
Auf die Mitarbeit eines Sicherheitsdienstes setzt auch die evangelische Johanneskirche in Düsseldorf, die größte evangelische Kirche in der Landeshauptstadt. Dort war es am letzten Heiligabend ebenfalls dazu gekommen, dass etliche Besucher abgewiesen werden mussten. Für seine Gemeinde sei ein Vorgehen wie in Essen-Haarzopf nicht praktikabel, sagt Pfarrer Uwe Vetter. "Wir haben eine Großregion als Einzugsgebiet. Da kann man vorher keine Eintrittskarten ausgeben." Die Johanneskirche hat rund 1.200 Sitzplätze.
Vetter hat Zweifel, ob das in Essen praktizierte Kartensystem das passende Verfahren ist, um den Besucherandrang zu begrenzen. Besser sei es, den Menschen, die abgewiesen werden müssten, dies auf eine "freundliche Art und Weise" zu erklären. Ansonsten müsse der Besucher eben rechtzeitig in die Kirche kommen, um einen Platz zu ergattern. Vetter rät, etwa eine Dreiviertelstunde vorher zu erscheinen.
Bei den katholischen Bistümern der Region findet das Verfahren - zumindest soweit bekannt - bislang keine Nachahmer. Der Kölner Dom könne auch zu Heiligabend ohne Karte besucht werden, erklärt Medienreferent Markus Frädrich. Ein Gottesdienst sei öffentlich und für alle zugänglich, mitunter sei es aber aus organisatorischen Gründen nicht möglich, alle Besucher in die Kirche zu lassen, unterstreicht er. "Die Entscheidung, wie damit sinnvoll umgegangen werden kann, treffen die Gemeinden vor Ort."
Etwas lockerer sieht Ulrich Lota, Sprecher des Bistums Essen, die Sachlage. "Das ist eine Geburtstagsparty. Da können gar nicht genug kommen", sagt er. Zudem hat er Zweifel, dass eine Kirche so strenge Sicherheitsauflagen erfüllen müsse. Die Maßnahme der Essener Gemeinde sieht er deshalb durchaus kritisch. "Ich habe Respekt vor der Entscheidung, würde sie persönlich aber nicht empfehlen."