Frankfurt a.M., Cox's Bazar (epd). Manchen versagt die Stimme, andere haben Tränen in den Augen bei der Erinnerung an Schmerz und Demütigung: Wie Soldaten die Frauen und Mädchen zusammentrieben, um sie zu vergewaltigen. Wie Müttern vor den Augen ihrer Kinder die Kleider vom Leib gerissen wurden und sie ihre Töchter nicht vor der Gewalt schützen konnten. Diese und andere Gräuel schildern Rohingya-Frauen, die vor Myanmars Armee nach Bangladesch flohen, im Flüchtlingslager Cox's Bazar.
Das brutale Vorgehen gegen die weiblichen Rohingya wurde laut der UN-Sonderbeauftragten für sexuelle Gewalt in Konflikten, Pramila Patten, vom Militär befohlen, organisiert und verübt. Angehörige von Grenzpolizei und Milizen seien ebenfalls an den Verbrechen in Myanmars westlichem Bundesstaat Rakhine beteiligt gewesen. Geflohene berichteten von "Gruppenvergewaltigungen durch Soldaten, erzwungene öffentliche Nacktheit, Demütigungen und sexueller Versklavung in militärischer Gefangenschaft". Patten sieht darin ein systematisch eingesetztes Instrument des Terrors.
"Liste der Schande"
Im Frühling dieses Jahres setzten die UN Myanmars Militär erstmals auf eine internationale Liste von Armeen und Milizen, die für sexuelle Gräuel in bewaffneten Konflikten berüchtigt sind. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch nennen sie "Liste der Schande". Die Entscheidung dürfte vor allem darauf beruhen, dass die Verbrechen gegen die muslimischen Rohingya im Fokus internationaler Aufmerksamkeit stehen.
Über systematische sexuelle Gewalt gegen Angehörige anderer Minderheiten in anderen Regionen Myanmars wird dagegen vergleichsweise wenig berichtet. Dabei ist die Armee des früheren Birma seit langem dafür berüchtigt, ähnlich brutal gegen Volksgruppen in Bundesstaaten wie Shan und Kachin vorzugehen. Dort kämpfen staatliche Truppen gegen bewaffnete Rebellen, während die Zivilisten die hauptsächlich Leidtragenden sind.
Schon zu Zeiten der Militärdiktatur, die formell 2011 endete, dokumentierten einheimische und internationale Menschenrechtsorganisationen, wie die Armee sexuelle Gewalt als "Kriegswaffe" einsetzte. Als eines der wichtigsten Dokumente gilt der 2002 veröffentlichte Bericht "License to Rape" (Lizenz zum Vergewaltigen). Darin listen die "Shan Menschenrechtsstiftung" und das "Aktionsnetzwerk der Shanfrauen" in 173 Fällen Vergewaltigungen und andere sexuelle Gewalttaten an 625 Frauen und Mädchen von 1996 bis 2001 auf. Diese Verbrechen dienten dazu, die lokale Bevölkerung zu terrorisieren und zu unterjochen, so Mitverfasserin und Shan-Aktivistin Charm Tong.
Kritik an Friedensnobelpreisträgerin
Auch die Burmesische Frauenliga dokumentierte 2014 mehr als 100 Vergewaltigungen an Frauen und Mädchen innerhalb von knapp vier Jahren. Manche Opfer waren acht Jahre alt. Die meisten der genannten Verbrechen ereigneten sich im nördlichen Kachin-Staat und im Norden des benachbarten Shan-Staates. Fast die Hälfte seien Gruppenvergewaltigungen gewesen, 28 der Opfer seien danach ermordet worden oder an ihren Verletzungen gestorben. Zugleich gingen die Frauenrechtlerinnen davon aus, dass diese Zahlen nur einen Bruchteil der tatsächlich begangenen Verbrechen darstellten.
Im Januar 2015 machte ein Doppelmord an zwei Lehrerinnen der überwiegend christlichen Kachin-Minderheit auch international Schlagzeilen: Damals waren Maran Lu Ra (20) und Tangbau Hkawn Nan Tsin (21), die sich als Freiwillige in einer Baptistengemeinde engagierten, nach einer Gruppenvergewaltigung ermordet worden. Ihre Leichen waren blutüberströmt und verstümmelt. Trotz aller Reden über Reformen vergewaltige, foltere und töte die Armee weiterhin und komme straffrei davon, kritisierten Menschenrechtler.
Ähnlich ernüchtert sind Aktivistinnen der Frauenorganisation der Karen, die sich mit den verfolgten Rohingya solidarisierten. Ihre Kritik zielt zugleich auf Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, deren "Nationale Liga für Demokratie" (NLD) 2015 die Wahlen gewann und die seit 2016 De-facto-Regierungschefin ist: Als frühere Oppositionsführerin habe Suu Kyi 2011 Vergewaltigungen als "Waffe der Armee" bezeichnet, die dazu benutzt werde, "die ethnischen Minderheiten einzuschüchtern und unser Land zu entzweien". Mit der NLD und Suu Kyi im Amt habe man gehofft, dass die Gewalt aufhöre. "Jetzt sehen wir, dass dies nur leere politische Worte waren."