Berlin (epd). Bundesfamilienministerin Franziska Giffey will langfristig einen Rechtsanspruch auf Schutz für Opfer häuslicher Gewalt schaffen. Das sagte die SPD-Politikerin bei der Vorstellung der "Kriminalstatistischen Auswertung zu Partnerschaftsgewalt 2017" des Bundeskriminalamts am 20. November in Berlin. Sie räumte zugleich ein, dass da noch "dicke Bretter zu bohren" seien. Ingesamt sind im vergangenen Jahr laut Statistik 138.893 Menschen in Deutschland Opfer von Gewalt durch Partner oder Ex-Partner geworden.
"Häufiger als jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet", sagte Giffey. 147 Frauen kamen ihren Angaben nach ums Leben - 141 durch Mord oder Totschlag, sechs weitere bei Körperverletzung mit Todesfolge. "Diese Zahlen sind schockierend, denn sie zeigen: Für viele Frauen ist das eigene Zuhause ein gefährlicher Ort - ein Ort, an dem Angst herrscht." Es gebe auch männliche Opfer, doch Frauen seien mit mehr als 82 Prozent in einem viel größeren Maße betroffen. 32 Männer seien 2017 Opfer von "vollendetem" Mord und Totschlag geworden.
Alle sozialen Schichten
Zu den erfassten Delikten gehören auch Körperverletzung, Vergewaltigung, Bedrohung und Stalking. Neu hinzugekommen seien sexuelle Nötigung, Zuhälterei, Zwangsheirat, Freiheitsberaubung. Im Vergleich zum Vorjahr ist den Angaben nach ein Rückgang von 0,8 Prozent zu verzeichnen, wenn man die nun zusätzlich erfassten Deliktkategorien auslässt. Von 2013 bis 2016 waren noch steigende Opferzahlen festgestellt worden. Laut Erhebung hat fast die Hälfte der Opfer in einem Haushalt mit den Tatverdächtigen gelebt. Am häufigsten sei die vorsätzliche einfache Körperverletzung (61 Prozent) gewesen, gefolgt von Bedrohung, Stalking und Nötigung (23,3 Prozent). Oftmals war auch Alkohol im Spiel.
Das Problem betreffe alle ethnischen Gruppen und alle sozialen Schichten, betonte Giffey. Von den 116.00 erfassten Tatverdächtigen seien knapp 68 Prozent deutsche Staatsangehörige. Besonders gewalttätig waren den Angaben nach aber Personen im Alter von 30 bis 39 Jahren. Die Gefahr von Gewalt sei außerdem dann größer, wenn schwierige soziale Verhältnisse hinzu kämen. Die Ministerin ging davon aus, dass die tatsächliche Zahl der Betroffenen wesentlich höher ist, als in der Statistik erfasst.
Die Leiterin des Hilfetelefons "Gewalt gegen Frauen", Petra Söchting, stellte die neue Kampagne "Aber jetzt rede ich" vor, die Frauen ermutigen soll, sich bei Gewalt Hilfe zu holen. Obwohl jede dritte Frau statistisch mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt erfährt, suchen ihren Angaben nach nur 20 Prozent der Betroffenen Unterstützung. Das Hilfetelefon ist beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben angesiedelt. In fünf Jahren seit seiner Gründung seien mehr als 140.000 Menschen per Telefon, Chat oder E-Mail beraten worden.
Besserer Opferschutz
Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD vereinbart, die Hilfestrukturen für Frauen und Kinder zu verbessern, die von Gewalt betroffen sind. Auch ein bedarfsgerechter Ausbau sowie die finanzielle Absicherung der Arbeit von Frauenhäusern soll erreicht werden. Giffey sagte, dass ein Runder Tisch dazu von Bund, Ländern und Kommunen im September eingerichtet worden sei. Derzeit gebe es bundesweit 350 Frauenhäuser und 600 Fachberatungsstellen, die rund 30.000 Frauen und Kinder versorgen könnten. Der Bedarf sei aber wesentlich größer. Daher wolle der Bund im Jahr 2020 für die Umsetzung des Aktionsprogramms zur Prävention und Unterstützung von Gewalt betroffenen Frauen und Kindern 35 Millionen Euro aufwenden.
Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) erklärte, um den Opferschutz im Strafverfahren zu verbessern, solle es auch bei erwachsenen Opfern von Sexualdelikten ermöglicht werden, eine Videoaufzeichnung der richterlichen Vernehmung in der Hauptverhandlung zu verwenden. "Dadurch werden künftig überflüssige mehrfache Vernehmungen vermieden. Wenn Opfer angstfrei über ihre furchtbaren Erlebnisse reden können, erleichtert das auch die Strafverfolgung."