Kriege gelten als verabscheuungswürdig und sinnlos. Dennoch war das 20. Jahrhundert ein Zeitalter der Kriege, Vertreibungen und Genozide, in denen nach Schätzungen mehr als 100 Millionen Menschen ums Leben kamen. "Wie kann es sein, dass es nach den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs und der Forderung 'Nie wieder Krieg' trotzdem zum Zweiten Weltkrieg kam und sich weitere Kriege anschlossen?", sagt Heinrich Theodor Grütter, Direktor des Ruhr Museums in Essen. "Für wen macht Krieg Sinn?" Dieser Frage will das Museum mit der am 11. November eröffneten Sonderausstellung "Krieg. Macht. Sinn" nachspüren.

"Krieg. Macht. Sinn"

Die Schau will anhand von Exponaten und Texten die unterschiedlichen Interessen, Motivationen und Sinndeutungen der Beteiligten an Kriegen, Vertreibungen und Genoziden in all ihrer Widersprüchlichkeit darstellen. "Wir wollen eine Vielstimmigkeit bieten", ergänzt Wulf Kansteiner, Professor für Erinnerungskultur und Geschichtstheorie an der Universität Aarhus in Dänemark und Ko-Kurator der Schau.

Anlass der von der EU geförderten Ausstellung ist das Gedenken an das Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren. Bis zum 30. April präsentiert das Museum 220 Exponate von rund 50 Leihgebern. Zu sehen sind unter anderem Helme und Uniformteile, Waffen, Fotografien, Plakate und Filme sowie Original-Dokumente wie etwa der Friedensvertrag von Brest-Litowsk. Originalseiten aus dem Manuskript des Romans "Im Westen nichts Neues" von Erich Maria Remarque und aus den Kriegstagebüchern von Ernst Jünger illustrieren die gegensätzliche Wahrnehmung der beiden Kriegsteilnehmer des Geschehens als Kampf von Kameraden oder unvorstellbares Grauen.

Von 1918 zum Syrienkonflikt

Die Besucher der Schau werden in vier Abteilungen zu den Themen "Krieg", "Bombenkrieg", "Völkermord" sowie "Flucht und Vertreibung" mit unterschiedlichen Blickwinkeln konfrontiert. Ausgehend vom Ersten und Zweiten Weltkrieg nimmt die Ausstellung dabei auch weitere Kriege des 20. Jahrhunderts wie die Konflikte im früheren Jugoslawien, die westliche Intervention in Afghanistan und den gegenwärtigen Krieg in Syrien in den Blick.

"Ehrentafeln", Gedächtnisblätter oder Kriegerdenkmäler stehen ebenso für die Verklärung von Soldaten und Kämpfern als Helden wie das Video eines Selbstmordattentäters der Terrororganisation "Islamischer Staat". Dem steht ein Mahnmal für den "unbekannten Deserteur" gegenüber, das diese Idealisierung infrage stellt.

Rüstungsindustrie verdient

Für wen macht Krieg Sinn? Dass die Rüstungsindustrie zu allen Zeiten an Kriegen gut verdient hat, daran erinnern in der Ausstellung unter anderem ein Fotoalbum vom Bau und der Lieferung von Torpedokreuzern der Firma Krupp an die Türkei 1907 oder das Modell eines Kampfpanzers Leopold 2.

Der Einsatz von Bomben hat die Kriegführung verändert, weg vom Schlachtfeld der Soldaten hin zur Zerstörung ganzer Städte. Immer mehr war die Zivilbevölkerung betroffen. Davon zeugen in der Ausstellung verkohlte Reste in einem Einmachglas, Spreng- und Brandbomben und Fotos der zerstörten Stadt Essen nach dem Zweiten Weltkrieg.

Kontroverse Erinnerungskultur

Wie kontrovers die Erinnerungskultur an einschneidende Kriegsereignisse sein kann, zeigt die Schau am Beispiel der Bombardierung Dresdens 1945 durch Briten und US-Amerikaner, bei der nach jüngeren historischen Forschungsergebnissen 25.000 Menschen ums Leben kamen. Auf einer Gedenkplatte von 1982 aus der DDR-Zeit ist von "imperialistischer Barbarei" die Rede, Rechtsextremisten bezeichnen den Angriff als "Bombenholocaust", von anderer Seite wird er dagegen als Reaktion auf die deutschen NS-Kriegsverbrechen gewertet.

Auch moderne Bombenkriege mit vermeintlich präzisen Luftschlägen werden unterschiedlich interpretiert. Das zeigen nicht nur Filmaufnahmen von der Bombardierung des Tanklastzuges im afghanischen Kundus, sondern auch im Internet verbreitete Propaganda aus den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien, in denen alle Seiten unschuldige Opfer von Bombenangriffen präsentierten.

Als Klammer umspannt eine Leiste mit Zitaten zum Thema Krieg die kleine, aber thematisch breitgefächerte Galerieausstellung auf der 21-Meter-Ebene des Museums. Sie reicht von Heinrich Bölls "Ich hasse den Krieg" bis zu Joschka Fischers Satz "Ich habe nicht nur gelernt: Nie wieder Krieg. Ich habe auch gelernt: Nie wieder Auschwitz", mit dem der damalige Außenminister die deutsche Beteiligung am Nato-Einsatz im Kosovo-Konflikt als humanitäre Intervention rechtfertigte.