Berlin (epd). Kirchenvertreter aus mehreren europäischen Ländern haben am 11. November zum 100. Jahrestag des Endes des Ersten Weltkrieges gemeinsam einen ökumenischen Gottesdienst im Berliner Dom gefeiert. Der evangelische Berliner Bischof Markus Dröge hob in seiner Predigt das Zusammenwachsen der Kirchen in Europa als eine Konsequenz aus den Erfahrungen zweier Weltkriege hervor. Mit dem Waffenstillstand am 11. November 1918 endeten vor 100 Jahren die Kampfhandlungen des Ersten Weltkriegs.
Dröge verwies auf die 2001 von der Konferenz Europäischer Kirchen in Europa (KEK) und dem Rat der Europäischen Bischofskonferenzen verabschiedete "Charta Oecumenica". Protestanten, Katholiken und Orthodoxe hatten sich darin auf Leitlinien für eine wachsende Zusammenarbeit verständigt. "Wenn wir heute beobachten, wie anders die Worte vieler Herrscher klingen, vieler Demagogen, vieler Nationalisten und Populisten, dann erscheint die 'Charta Oecumenica' wie eine Friedensvision, deren Realität noch nicht in unsere Welt passt", sagte der Berliner Bischof.
"Europäisches Projekt gefährdet"
An dem Gottesdienst nahmen neben dem KEK-Präsidenten und Präsidenten der Reformierten Kirche von Elsass und Lothringen, Christian Krieger, auch der katholische polnische Erzbischof Henryk Muszynski, Erzbischof Dietrich Brauer von der Evangelisch-Lutherischen Kirche Europäisches Russland, der anglikanische Bischof Jonathan Gibbs aus dem englischen Huddersfield und der Vorsitzende der Orthodoxen Bischofskonferenz, Metropolit Augoustinos von Deutschland, teil. Der katholische Berliner Erzbischof Heiner Koch hielt ein Totengedenken.
"Heute ist das Europäische Projekt gefährdet", warnte KEK-Präsident Krieger in einem Grußwort. "Obwohl wir in einer immer globaleren Welt leben, mit globalen Herausforderungen, suchen viele Lösungen in der Ausgrenzung oder Abschottung", betonte der französische Theologe. Ängste und Unmut würden unverantwortlich politisch ausgenutzt. Es sei Aufgabe der Kirchen und der Christen, mit diesen Ängsten umzugehen, versuchen zu verstehen, aber auch ihre Grenzen aufzuweisen, betonte Krieger.
Auch der polnische Erzbischof Muszynski mahnte, dass heute "die wahren europäischen und christliche Grundwerte, von Kurzsichtigkeit, sozialem Egoismus und Mangel an Solidarität ernsthaft bedroht" seien. Er rief insbesondere Christen in Polen und Deutschland auf, gemeinsam für Versöhnung und Frieden einzutreten. Erzbischof Brauer aus Moskau betonte, die Welt habe dringend den Zusammenschluss der "Kinder Gottes im Gebet" nötig. Der britische Bischof Gibbs mahnte ebenfalls die gemeinsame Verantwortung für Europa an.
Bischof Meister bei Gottesdienst in Nordengland
Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst unter dem Leitthema "Frieden in Europa" von Jugendchören aus Frankreich, Großbritannien und Russland. Nach dem Gottesdienst wollte der frühere Vizepräsident der Europäischen Kommission, Günter Verheugen (SPD), einen Vortrag zum Thema "Das ganze Europa soll es sein" halten.
Bei einem Gedenkgottesdienst in der Kathedrale von Ripon in Nordengland erinnerte der hannoversche Landesbischof Ralf Meister an die Schrecken des Ersten Weltkriegs. Der Krieg, in dem mehr als neun Millionen Soldaten und mehr als sechs Millionen Zivilisten ihr Leben verloren, habe Europa zerrissen. "Dieser Krieg mahnt bis heute ganz Europa zum Frieden", sagte der evangelische Theologe, der auch deutscher Vorsitzender der Meißen-Kommission ist, in der sich die Kirche von England und die deutschen Protestanten 1991 zur Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft verpflichtet haben.
Unter Historikern gilt der Erste Weltkrieg mit mehr als 15 Millionen Toten als erster globaler Krieg der Geschichte - und als erster totaler. Am 11. November 1918 unterzeichneten Vertreter des Deutschen Reiches und der Alliierten ein Waffenstillstandsabkommen in einem Eisenbahnwaggon im Wald von Compiègne nordöstlich von Paris.