Gütersloh, Berlin (epd). Zwischen den Bundesländern gibt es bei der schulischen Inklusion von Kindern mit Behinderungen große Unterschiede. Insgesamt sei der Anteil der Kinder, die an separaten Förderschulen unterrichtet werden, in den vergangenen Jahren gesunken, teilte die Bertelsmann Stiftung am 3. September in Gütersloh mit. Besuchten 2008 noch 4,9 Prozent aller Schüler eine Förderschule, waren es 2017 nur noch 4,3 Prozent. Der Sozialverband VdK mahnte eine bundesweite, verbindliche Gesamtstrategie für inklusive Bildung an. Auch der Lehrerverband VBE und die Gewerkschaft GEW forderten die Politik zu mehr Anstrengungen für die Inklusion auf.
Bremen an der Spitze, Sachsen Schlusslicht
Spitzenreiter bei der Inklusion ist nach einer Analyse des Bildungsforschers Klaus Klemm das Land Bremen, wo nur noch 1,2 Prozent aller Schüler auf Förderschulen gehen. Besonders niedrige Anteile separat unterrichteter Kinder haben auch Schleswig-Holstein (2,1 Prozent), Berlin (2,8 Prozent), Hamburg (3,1) und Niedersachsen (3,4 Prozent).
In Baden-Württemberg (4,9 Prozent), Bayern (4,8 Prozent) und Rheinland-Pfalz (4,0 Prozent) ist dagegen die Quote der Förderschüler laut Analyse in den vergangenen zehn Jahren sogar gestiegen. Die höchsten Anteile von Kindern auf Förderschulen haben Mecklenburg-Vorpommern mit sechs Prozent, Sachsen-Anhalt (5,9 Prozent) und Sachsen (5,7 Prozent).
Große Unterschiede bei der Inklusion gibt es den Angaben zufolge nicht nur regional, sondern auch je nach Förderbedarf. Während immer weniger Kinder spezielle Schulen für Lernbehinderte oder mit dem Förderschwerpunkt Sprache besuchten, nahm der Anteil separat unterrichteter Schüler mit sozial-emotionalen Handicaps, geistigen oder körperlichen Einschränkungen zu.
Verbände fordern bundesweite Standards
Um die regionalen Unterschiede bei der Inklusion zu verringern, forderte Stiftungsvorstand Jörg Dräger bundesweit einheitliche Qualitätsstandards. Impulse dazu erhoffe er sich vom geplanten nationalen Bildungsrat, sagte Dräger. Die Schulen brauchten mehr sonderpädagogische Kompetenz und Fortbildungen für die Lehrkräfte, um den unterschiedlichen Kindern besser gerecht zu werden.
Der Sozialverband VdK begrüßte es, dass immer mehr Kinder mit und ohne Behinderungen gemeinsam an Regelschulen lernen. Es dürfe jedoch nicht vom Wohnort der Familien abhängen, ob Kinder die Förderschule oder eine Regelschule besuchten, erklärte die Präsidentin Verena Bentele in Berlin. Nötig seien eine "bundesweite, verbindliche Gesamtstrategie für inklusive Bildung" sowie einheitliche Zugänge zur inklusiven Bildung. "Die Bundesregierung muss ein Bundesrahmengesetz für inklusive Bildung erarbeiten und Eckpunkte für eine quantitativ und qualitativ gute Schulentwicklung in allen Bundesländern vorgeben", forderte Bentele.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte von Bund, Ländern und Kommunen mehr Anstrengungen bei der Umsetzung der Inklusion. "Politik muss mehr Geld in die Hand nehmen sowie Konzepte und Strukturen entwickeln, damit Inklusion erfolgreich sein kann", sagte das für Schule verantwortliche GEW-Vorstandsmitglied Ilka Hoffmann. Es brauche jetzt "dringend ein Bund-Länder-Programm, damit die Inklusion nicht vor die Wand gefahren wird".
Der nordrhein-westfälische Verband Bildung und Erziehung (VBE) mahnte einen stärkeren Einsatz von sonderpädagogischen Lehrkräften auch in den Regelschulen an. Inklusion könne nicht nur beschlossen werden, es müssten auch die notwendigen Bedingungen dafür geschaffen werden, erklärte der Verband.