In Berlin soll für rund vier Wochen wieder eine Mauer errichtet werden. Die baugleiche Rekonstruktion der früheren Berliner Mauer ist Teil eines ungewöhnlichen internationalen Kunstexperiments mit dem Titel DAU, wie der Intendant der Berliner Festspiele, Thomas Oberender, am 28. August in der Hauptstadt erläuterte. Bei dem Projekt handele es sich um eine Trilogie, die mit der geplanten Mauer unter dem Titel "Freiheit" am 12. Oktober in Berlin Premiere hat. Die temporäre Berliner Mauer soll am 9. November - dem Tag des Mauerfalls - in einer künstlerischen Performance eingerissen werden. Der zweite Teil unter dem Titel "Gleichheit" soll dann in Paris und der dritte Teil "Brüderlichkeit" in London folgen.

Partner für den deutschen Teil ist der Filmregisseur Tom Tykwer. Offizieller Veranstalter in der Bundeshauptstadt sind die Berliner Festspiele. Intendant Oberender betonte: "Die Mauer ist eines der härtesten Symbole, die man in Berlin errichten kann." Mit der geplanten Mauer-Rekonstruktion solle aber nicht die DDR wiederhergestellt werden, sondern Besucher des Kunstexperiments sollen die Erfahrung von Freiheit und Freiheitsverlust machen können.

Fiktive Parallelwelt

Noch sei die Rekonstruktion der Berliner Mauer für das Kunstprojekt von den Behörden nicht genehmigt, betonte der Intendant. Oberender zeigte sich aber überzeugt, dass die Zulassung für den künstlerischen Mauerbau rechtzeitig erfolgen werde. Alle nötigen Anträge seien dafür umfassend vorbereitet worden. Nun bräuchten die Berliner Behörden die nötige Zeit, um die Dokumente zu prüfen.

Bei DAU handelt es sich um ein europäisches Film- und Performanceprojekts unter Leitung des russischen Regisseurs Ilja Chrschanowski. Seinen Ursprung hat das Kunstprojekt im ukrainischen Charkiw, wo der Physiker und Nobelpreisträger Lew Landau (1908-1968) lebte und arbeitete. 2009 bis 2011 hatten dort rund 400 Menschen für das Filmexperiment auf einem Areal von 12.000 Quadratmetern in einer abgeschlossenen Welt gelebt und unter anderem die Lebenswelt des Forschers Landau unter den repressiven Bedingungen der Sowjetunion nachempfunden. Dabei seien unter anderem 700 Stunden Filmmaterial, 13 Spielfilme sowie mehrere Serien entstanden, hieß es.

Auch in Berlin-Mitte soll rund um das Kronprinzenpalais, auf der Straße Unter den Linden und dem Areal zwischen Staatsoper und Kommandantur, für rund vier Wochen ein Erlebnisraum geschaffen werden, in der Anwohner und Besucher des Projektes sich in einer fiktiven Parallelwelt begegnen können. Das gesamte Areal in Berlin solle von der temporär installierten Mauer umgrenzt werden.

Sicherheitskontrollen

Besucher des Kunstexperiments müssen als Eintrittskarte online ein kostenpflichtiges Visum beantragen, erläuterte die Filmproduzentin Susanne Marian. Bei der Einreise in die fiktive DAU-Welt müssen zudem der Realität nachempfundene Sicherheitskontrollen passiert werden.

Zudem müssen Besucher bei Eintritt in das eingemauerte Areal ihr Smartphone gegen ein DAU-Device ohne WLAN eintauschen. Über dieses Gerät werde für jeden Besucher eine individuelle Führung durch das Gelände mit verschiedenen Programmstationen wie Filmvorführungen, Besuche einer wissenschaftlichen Konferenz oder ein Gespräch mit einem Seelsorger kuratiert. Das eingemauerte Gelände werde 24 Stunden am Tag zugänglich sein. Die Veranstalter rechnen in Berlin mit 1.500 bis 3.000 Besuchern pro Tag. Die Kosten für das Kunstprojekt sollen sich auf 6,6 Millionen Euro belaufen.