Die Stadt Wiesbaden hat ihre Entscheidung verteidigt, die am 27. August in der Innenstadt aufgestellte Statue des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan wieder abbauen zu lassen. Im Laufe des 28. August sei es zu hitzigen Diskussionen und Rangeleien vor der vier Meter großen vergoldeten Statue aus Beton auf dem Platz der Deutschen Einheit gekommen, so dass die Polizei mehrfach habe einschreiten müssen, teilte die Stadt am 29. August mit.

Die Lage habe sich dann zunächst wieder beruhigt, was vor allem auf die "massive Präsenz der Landespolizei" auf dem Platz zurückzuführen gewesen sei, "die mit fast 100 Kräften vor Ort war". Der Abbaubeschluss von Oberbürgermeister Sven Gerich (SPD) und Ordnungsdezernent Oliver Franz (CDU) sei schließlich am 28. August nach 22 Uhr ergangen, weil in Kreisen der kurdischen Gemeinde auch überregional zu Protestaktionen in Wiesbaden aufgefordert worden und deswegen ein "dauerhafter massiver Polizeieinsatz" zu befürchten gewesen sei.

Teil der Kunst-Biennale

Die tonnenschwere Statue war Teil der Kunst-Biennale Wiesbaden, deren Spielorte sich noch bis zum 2. September auf die gesamte Stadt verteilen. Für den Magistrat der hessischen Landeshauptstadt sei die Kunstfreiheit ein hohes und schützenswertes Gut, betonten Gerich und Franz. Eine Kunstinstallation Tag und Nacht mit einem massiven Polizeiaufgebot schützen zu müssen, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten, sei aber nicht verhältnismäßig.

Die beiden Kuratoren der Kunstaktion, Maria Magdalena Ludewig und Martin Hammer, zeigten sich überrascht über den Abbau der Statue nach einem Tag der "intensiven Kontroversen und sehr lebendigen Diskussionen". Sie respektierten zwar die Kompetenz und Einschätzung der staatlichen und städtischen Ordnungskräfte in Bezug auf die öffentliche Sicherheit. Die Aneignung des öffentlichen Raumes durch politische Kunst und ihr Schutz seien jedoch ein ebenso hohes Gut.

Die Landeshauptstadt führe die hohen Kosten für die dauerhaft notwendige Anwesenheit der Polizei an. Dies werfe die Frage auf nach dem Preis und der Freiheit der Kunst, erklärten Ludewig und Hammer weiter. "Was sind wir bereit auszugeben für Veranstaltungen und Anlässe wie etwa den geplanten Staatsbesuch des türkischen Präsidenten, der mit militärischen Ehren empfangen werden wird, oder auch jedes erdenkliche Fußballspiel am Samstagnachmittag?"

Diskussionen

Auch der Intendant des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden, Uwe Eric Laufenberg, hob hervor, dass am 28. August auf dem Platz der Deutschen Einheit Einheimische, Türken, Kurden, alte und junge Menschen, Verehrer des türkischen Staatschefs sowie Kritiker und vehemente Gegner miteinander diskutiert hätten. "In der Türkei ist das zurzeit nicht möglich, da Kritiker von Erdogan mit Gefängnis bedroht werden, und eine freie Presse und Kunstausübung in der Türkei derzeit kaum mehr möglich sind."

Nach Polizeiangaben verlief der Abbau der Statue weitgehend friedlich. Die rund 100 Personen vor Ort seien der Aufforderung, den Platz zu verlassen, ohne weiteres nachgekommen. Das Kunstwerk sei von der Feuerwehr abtransportiert worden. Ein Mann sei vorübergehend in Gewahrsam genommen worden. Er habe nach der Räumung des Platzes andere Anwesende provoziert. Einem Platzverweis sei er nicht gefolgt.

Das Kunstwerk hatte für großen Wirbel in Wiesbaden gesorgt. Manche, vor allem Erdogan-Anhänger, freuten sich, dass "ihr" Präsident in einem solch hellen Licht präsentiert wird. Vor allem Einheimische und Menschen mit kurdischen Wurzeln störten sich an der Figur, die Erdogan in der Diktator-Pose mit ausgestrecktem Arm und Zeigefinger zeigte. Manche beschmierten sie, andere versuchten, die Graffiti wieder zu entfernen.