Berlin (epd). Bund und Länder wollen mit mehr Polizeipräsenz in Deutschland auf den Anschlag in Hanau reagieren. Man müsse nach solchen Taten immer mit Nachahmungstätern rechnen und auch mit Gefahren durch Wut und Emotionalisierung, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am 21. Februar in Berlin. Mit seinen Ministerkollegen in den Ländern hat er nach eigenen Angaben besprochen, sensible Einrichtungen stärker zu überwachen, insbesondere auch Moscheen. Seehofer stuft die Gewalttat von Hanau als Terror ein: "Die Tat in Hanau ist eindeutig ein rassistisch motivierter Terroranschlag", sagte er.
Nach der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und dem Anschlag auf die Synagoge in Halle im vergangenen Jahr sei es der dritte rechtsterroristische Anschlag in wenigen Monaten. Es ziehe sich "eine Blutspur des Rechtsextremismus durch unser Land", sagte er. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte, Rechtsextremismus sei derzeit die größte Gefahr für die Demokratie in Deutschland. Wie der stärkere Polizeischutz konkret aussehen soll, blieb offen. Die genaue Analyse liege in der Hand der Bundesländer, sagte Seehofer. Er wollte sich am 21. Februar zu dieser Frage aber auch mit Vertretern der Muslime und der Türkischen Gemeinde in Deutschland treffen.
Islamverbände fordern besseren Schutz
Islamverbände erneuerten ihre Forderung nach mehr Schutz. Es müssten zumindest die Moscheen geschützt werden, die schon in der Vergangenheit angegriffen worden sind, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek. Von den rund 2.000 Moscheegemeinden in Deutschland beträfe dies einige hundert. Der Sprecher des Koordinationsrats der Muslime, Zekeriya Altug, sagte, es müsse nicht vor jeder Moschee ein Polizist stehen. "Aber wir brauchen eine Sensibilisierung der Behörden, damit man bei Gefahr schneller reagieren kann", ergänzte er.
Seehofer und Lambrecht sprachen sich zugleich gegen weitere Gesetzesverschärfungen aus. Beide verwiesen unter anderem auf die erfolgte Verschärfung des Waffenrechts und das Maßnahmenpaket gegen Hass im Netz, das am 19. Februar im Kabinett beschlossen wurde. Beides sind Konsequenzen aus dem antisemitischen Anschlag in Halle im vergangenen Oktober. Es gehe nun zunächst darum, genau hinzuschauen, ob Gesetze auch entsprechend ausgeführt werden, sagte die Lambrecht.
Im hessischen Hanau hatte ein Mann am Abend des 19. Februar neun Menschen erschossen. Alle hatten einen Migrationshintergrund. Die Polizei fand den mutmaßlichen Täter und dessen Mutter später tot in deren Wohnung. Der Generalbundesanwalt sprach von einer "zutiefst rassistischen Gesinnung" des mutmaßlichen Täters.
"Muss Chefinnensache werden"
Lambrecht appellierte an die Verletzten und Angehörigen der Opfer, sich an den Opferbeauftragten der Bundesregierung, Edgar Franke (SPD), zu wenden. "Es ist eine Zeit, in der man Unterstützung braucht und sie auch bekommt", sagte sie. Die Stadt Hanau hat nach dem Anschlag selbst zwei Opferbeauftragte für die Angehörigen eingesetzt, wie Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) mitteilte.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), kündigte an, sich mit allen betroffenen Ministerkollegen besprechen zu wollen, "ob wir genug gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität tun." "Wir müssen Rechtsextremismus den Nährboden entziehen", sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe . Die Grünen-Innenpolitikerin Filiz Polat nahm Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) persönlich in die Pflicht, für gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sorgen. "Der Kampf gegen Rassismus muss Chefinnensache werden", sagte sie.