Dresden, Stuttgart und Bernau - vor knapp einem Jahr stellte der Bauhaus-Verbund unter Weimarer Federführung die 100 Auserwählten der Grand Tour der Moderne vor. 100 Jahre nach Gründung der Kunst- und Designschule verbindet sie auf einer eigens konzipierten Route deutsche Stätten der Moderne: 100 ausgewählte Einzelgebäude und Siedlungen, darunter Ikonen und Streitobjekte, Schlüsselbauten und Entdeckungen aus den Jahren 1900 bis 2000. Mittendrin: Der egapark in Erfurt.

Die Überraschung in der Erfurter Landeshauptstadt - und wohl nicht nur dort - war richtig groß. Die Bauhäusler sind nicht gerade als Gartenfreunde bekannt. Im Gegenteil, für die Architekten unter ihnen galt die einfache Regel: Je kleiner die Hecke, desto imposanter das Haus. Ohne Übertreibung lässt sich sagen, für die in fast allen Bereichen omnipräsenten Meister, die in Design, Wohnkultur und neuen Materialien bis heute gültige Maßstäbe setzten, hatten bei der Gartengestaltung ihren gleichsam grünen blinden Fleck.

Doch langsam wich in den vergangenen Monaten in Erfurt die Überraschung der übergroßen Freude, zum erlauchten 100er Kreis zu gehören. Die Wahl bedeutet nicht nur Prestige und Öffentlichkeit, sie verspricht auch leichteren Zugang zu den Schatullen des Landes und des Bundes. Fördergelder, die für Erhalt und Sanierung der historischen Parkanlagen genauso gebraucht werden wie für Investitionen in die Zukunft.

Dass es so weit kommen konnte, hat gleich mehrere Gründe. Zum einen gelang Ende der 50er und in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts in Erfurt mit der "Internationalen Gartenbauausstellung", der sozialistischen IGA, eine landesarchitektonische Meisterleistung, die nach Meinung der Experten weder den Vergleich mit der Bundesgartenschau 1961 in Stuttgart noch den mit der IGA westlicher Prägung 1963 in Hamburg scheuen musste. Ost wie West, die Formensprache ähnelte sich, mit großen Wege- und Wasserachsen und großzügigen Gartenräumen, erklärt Martin Baumann vom Thüringer Landesamt für Denkmalpflege.

Doch anders als im Westen der Republik war die Anlage in Erfurt für den langfristigen Gebrauch als Leistungsschau der sozialistischen Bruderländer angelegt. Zudem fehlten später die nötigen finanziellen Mittel für neue Bauten. Wie so oft in den Endjahren der DDR erwies sich auch hier der Mangel als bester Konservator.

So stehen sie zum Teil bis heute, die ursprünglichen Gestaltungselemente: der große Festplatz und die Blumenwiese, das mit 6.000 Quadratmetern - nach Eigenwerbung - größte Blumenbeet der Welt, die Wasserachsen, die kleinen Pavillons, die Springbrunnen und einige der Empfangs- und der Ausstellungshallen; dazu Gartenmobilar, Lampen- und Blumenstellagen.

Alles wurde dem übergeordneten gestalterischen Konzept des Generalplaners Reinhard Lingner und seiner Frau Alice untergeordnet: eine Planung bis ins Detail, bis hin zu den Bänken, die an der Weimarer Hochschule für Architektur und Bauwesen - dem Vorläufer der heutigen Bauhaus-Universität - entworfen wurden. Gleiches gilt für das Farbkonzept. Auch das kam aus Weimar und erstreckte sich bis auf die Bepflanzung.

Mit dem Ende der DDR geriet auch das Ausstellungsgelände im Erfurter Südwesten unter starken Druck. Ein Teil der Hallen, in denen über Jahrzehnte die Erfolge sowjetischer, polnischer oder bulgarischer Bauern und Pflanzenzüchter präsentiert wurden - jedes Bruderland hatte eine eigene Halle und die UdSSR eine etwas größere - wurden abgerissen. Sie machten Platz für die Messe und den Mitteldeutschen Rundfunk, den Kinderkanal und das Kindermedienzentrum. Das in seinen besten Jahren mehr als 100 Hektar große Gelände schrumpfte um mehr als die Hälfte ein - eine Entscheidung, die mancher Verantwortliche aus den Anfangsjahren des Neubeginns heute bereuen dürfte.

Inzwischen steht das verbliebene Ensemble unter dem neuen Namen egapark unter Denkmalschutz und wird von einer Stadtwerke-Tochter bewirtschaftet. Nach schwierigen und zunächst kleineren Sanierungsschritten können nun größere Brötchen gebacken werden - der Bundesgartenschau sei Dank, die 2021 in der Thüringer Landeshauptstadt über die Bühne gehen soll.

Fast an jeder Ecke des Parks stehen große Schilder, die von Bauvorhaben künden. Der Eingangsbereich wird neu gestaltet und die Empfangshalle saniert. Zwei Kräne drehen sich am größten Vorhaben - der Wüsten- und Urwaldanlage "Danekil", zwei Gegensätze unter einem Dach.

Und dies ist nur eine der geplanten Attraktionen, die sicher weiter für viele Besucher in "Thüringens größtem Garten" sorgen werden. Ein halbe Million Gäste zieht es während der Saison - die neue beginnt in knapp zwei Wochen - in den egapark. Mit den ersten warmen Tagen pilgerten am Wochenende bereits Hunderte Familien mit ihrem Nachwuchs auf den großen Spielplatz des Parks - bestimmt nicht zum letzten Mal in diesem Jahr.