Berlin (epd). Diese Reise nach Jerusalem dauert nur eine knappe halbe Stunde und lässt einen doch danach sehr lange nicht mehr los. In jeweils fünf- bis achtminütigen fiktionalen Episoden "Glaube", "Liebe", "Hoffnung" und "Angst" erzählt der Regisseur Dani Levy ("Meschugge", "Alles auf Zucker") vom Leben an einem Brennpunkt des Nahostkonflikts aus israelischer und palästinensischer Perspektive. Levy thematisiert die alltäglichen Spannungen, den ständig präsenten Wahnsinn in Jerusalem, das Juden, Muslime und Christen als ihre heilige Stadt beanspruchen, mit einem trockenen, jüdischen Humor. Die dabei verwendete 360-Grad Virtual Reality-Technik (VR) führt den Zuschauer mitten ins groteske Geschehen: Er setzt sich eine Virtual-Reality Brille auf und ist plötzlich Besucher der Stadt.
Es ist Levys erste fiktionale Virtual Reality-Serie. Die von Arte, dem ZDF sowie dem Medienboard Berlin Brandenburg und Nordmedia Filme geförderten Filme drehte Levy für die bis Frühjahr 2019 laufende Ausstellung "Welcome to Jerusalem" im Jüdischen Museum Berlin. Zu sehen sind sie sechs Wochen lang bis zum 17. Juni an zehn VR-Stationen. Für die Kuratorin des Jüdischen Museums, Cilly Kugelmann, sind die Filme eine Pionierarbeit und Modell für künftige Ausstellungskonzepte.
Virtual Reality-Technik werde in Zukunft ein wichtiger Teil der Ausstellungstechnik, sagte Kugelmann am 3. Mai in Berlin. Diese vier Filme zeigten dem Ausstellungsbesucher die ungeheueren Widerstände und Ambivalenzen dieser Stadt, die ein normales Exponat gar nicht leisten könne.
Die insgesamt einwöchigen Dreharbeiten mit israelischen und palästinensischen Schauspielern und Statisten seien eine "emotionale Achterbahnfahrt" gewesen, sagte Levy. "In Israel zu drehen, ist unberechenbar." Immer wieder hätten unbeteiligte Passanten oder das Militär in das Geschehen eingegriffen, weil sie sich provoziert oder angesprochen fühlten. Die Spannungen seien greifbar gewesen. "Man wusste nie so richtig, was passiert", sagte Levy.
Die vier Filme nehmen je zwei Mal die israelische und die palästinensische Perspektive ein: Auf dem Zionsplatz in der Jaffa-Straße, einer Einkaufsstraße in West-Jerusalem, provoziert ein Stand-up Comedian wütende Reaktionen seiner Zuhörer, am Checkpoint nach Ost-Jerusalem kontrolliert ein junger Soldat eine Palästinenserin und lädt sie zu seinem Geburtstag ein, über den Dächern der Altstadt erscheint ein Asiate, der an dem Jerusalem-Syndrom leidet und sich als Jesus sieht. In einer Bauruine, die das Parlamentsgebäude der Palästinensischen Gebiete werden sollte, haust ein wiederauferstandener Jassif Arafat und wartet darauf, an den Verhandlungstisch für den Friedensprozess zurückkehren zu können.
Trotz Drehgenehmigungen seien die heikelsten Drehorte die Szenen am Checkpoint an der Mauer und in dem Parlamentsgebäude gewesen, sagte Levy. Unter den palästinensischen Schauspielern fand sich keiner, der den Arafat spielen wollte, so dass das Team schließlich auf einen Laien zurückgreifen musste. Auch in der Ruine des Parlaments durfte kurzfristig nicht gedreht werden, zu emotional aufgeladen ist das Thema des gescheiterten Friedensprozesses bei den Palästinensern.
Traurig-absurd seien auch die Checkpoint-Szenen an der Mauer gewesen, berichtete Levy. Die junge palästinensische Schauspielerin war nicht bereit, den Soldaten spielenden israelischen Schauspieler anzulächeln. "Für sie war entscheidend, die offizielle 'Anti-Normalisierungs-Haltung' zu bewahren", sagte Levy. "Sie sagte mir: Ich spiele nur mich. Wegen dieser Mauer da".