Frankfurt a.M. (epd). Die Chefin der Bundesagentur für Arbeit mit Sitz in Nürnberg, Andrea Nahles, hat auf die Chancen Künstlicher Intelligenz (KI) für die Arbeitswelt hingewiesen. An vielen Stellen sei die Frage gar nicht mehr: „Automatisierung oder Entlassung? Sondern: Mit der Automatisierung können wir einen Teil der Menschen, die wir gar nicht mehr bekommen, ersetzen“, sagte die ehemalige SPD-Vorsitzende und Bundesarbeitsministerin dem evangelischen Magazin „chrismon“ (August-Ausgabe/Online) mit Blick auf den aktuellen Fachkräftemangel.
Die Bundesagentur für Arbeit habe 113.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und verliere in den nächsten zehn Jahren 40.000 unter anderem durch Fluktuation und den Wechsel in den Ruhestand, fügte Nahles hinzu: „In einigen Jobcentern in Großstädten können wir jetzt schon viele Stellen nicht mehr besetzen.“ Eine Antwort auf die Fachkräftelücke sei - neben Frauen, Älteren, Zugewanderten und dem erfolgreichen Berufseinstieg von Jungen - die Automatisierung und Digitalisierung der Prozesse.
Lobo: Härten abfedern
Der Blogger und Kolumnist Sascha Lobo sieht im „chrismon“-Gespräch mit Nahles Aufholbedarf in der Debatte. „Automatisierung galt einem Teil der Bevölkerung übers 20. Jahrhundert als etwas Schlechtes. Das nimmt mir den Job weg! Und es gehörte auch zur Erzählung der Sozialdemokratie, dass Automatisierung nur dosiert, zu menschenwürdigen Bedingungen zugelassen wird“, sagte der Digitalexperte. Dass Automatisierung anders verstanden werden könne und auch andere Menschen betreffe als Facharbeiter, sei noch nicht in allen Köpfen angekommen.
Bei der Digitalisierung der Arbeitswelt müsse man Härten abfedern, „deswegen ist ein starker Sozialstaat wichtig“, erklärte Lobo. Wenn aber eine Rechtsabteilung in einem mittelständischen Unternehmen mit ChatGPT aus zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vier machen kann, mache er sich wegen des Fachkräftemangels wenig Sorgen um die verbleibenden acht, „weil für jeden von ihnen 27 offene Stellen in der Region vorhanden sind.“ Dies könne sie für die meisten Regionen in Deutschland bestätigen, fügte Nahles hinzu.