Berlin, São Paulo (epd). Mit der Billigung eines Gesetzes zur Einschränkung von Indigenen-Rechten hat das brasilianische Abgeordnetenhaus Präsident Luiz Inácio Lula da Silva eine schwere Niederlage beschert. 283 Parlamentarier stimmten am 30. Mai für die Initiative, 155 dagegen, wie das Nachrichtenportal „G1“ berichtete. Das Gesetz kann vorerst nicht in Kraft treten, da die Grundlage dafür noch vor dem Obersten Gericht geprüft wird. Doch die Abstimmung gilt als Schwächung für Lula, der sich im Wahlkampf für eine Stärkung der Rechte der Urvölker eingesetzt hatte.
Das umstrittene Vorhaben stammt noch aus der Zeit des rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro, der die wirtschaftliche Ausbeutung im Amazonas-Regenwald vorantreiben wollte. Das Projekt „Marco temporal“ basiert auf einer umstrittenen juristischen Stichtagsregelung, die etwa Großgrundbesitzer so auslegen, dass indigene Völker nur dort Land beanspruchen können, wo sie bereits vor der Verfassung von 1988 lebten. Allerdings wurden viele Urvölker von ihrem ursprünglichen Land vertrieben und hätten so nie eine Chance auf Rückkehr. Außerdem könnten Eindringlinge, die indigene Gebiete zurückgeben mussten, Anspruch auf Entschädigung verlangen.
Ministerin ruft zu Protest auf
Die Regelung würde mehr Rechtssicherheit für Landbesitzer schaffen und Bauern vor Enteignung schützen, argumentieren dagegen Befürworter, darunter vor allem die mächtige Agrarlobby in Brasilien. Das Oberste Gericht analysiert seit Jahren, ob diese Gesetzesauslegung verfassungsgemäß ist. Der jetzt vom Parlament verabschiedete Gesetzentwurf wird nun zunächst dem Senat zur Bestätigung weitergeleitet. Danach könnte auch Lula noch sein Veto einlegen.
Indigenen-Ministerin Sônia Guajajara sprach auf Twitter von einem schweren Angriff auf die Rechte der Indigenen. Sie rief die indigenen Völker zu Protesten gegen das Gesetz auf.
Präsident Lula hatte bei Amtsantritt im Januar eine Abkehr dieser Politik versprochen. Im April unterzeichnete er Dekrete, die erstmals seit 2018 wieder Indigenen-Schutzgebiete auswiesen. Das Dekret garantiert den Ureinwohnern die ausschließliche Nutzung der natürlichen Ressourcen auf diesen Gebieten. Das Land darf nicht verkauft werden, auch Bergbau ist untersagt. Insgesamt verfügt Brasilien über 732 Indigenen-Gebiete, die rund 14 Prozent des Staatsterritoriums ausmachen.