Hannover (epd). Angela Merkel (CDU) ist Pfarrerstochter. Mit der Bibel kennt sie sich aus, da ist sie trittsicher. Über das Markusevangelium, aus dem sie bei einer Bibelarbeit am Donnerstag beim Kirchentag in Hannover eine Stelle auslegt, weiß sie, dass es „das kürzeste unter den Evangelien“ ist. „Damit geht es da auch Schlag auf Schlag“, sagt sie. Und sie findet, dass der Kirchentag für den Donnerstag eine Stelle ausgesucht hat, die „eigentlich spektakulär“ ist. „Jesus lernt hier was von der Frau“, die ja sonst in dieser Zeit „dramatisch diskriminiert“ worden seien.
In der Messehalle, in der Merkel auf der Bühne steht, sind die typischen Papphocker bis auf den letzten besetzt, die meisten schon eine halbe Stunde vor der Bibelarbeit der früheren Regierungschefin. Merkel ist eine der größten Promis, die beim 39. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hannover erwartet werden. Die CDU-Politikerin, die von 2005 bis 2021 Kanzlerin war, gehörte auch in der Vergangenheit zu den regelmäßigen Gästen und Podiumsteilnehmern. Diesmal stellt sie sich dem speziellen Format Bibelarbeit. Das bedeutet, rund eine halbe Stunde einen zuvor festgelegten Bibeltext auszulegen.
Auf Grundlage der Geschichte von Jesus, der von einer Griechin gebeten wird, den Dämon aus ihrer Tochter auszutreiben, spricht Merkel über Vertrauen und Beherztheit in der Politik. Gottvertrauen habe ihr oft geholfen, wenn Situationen ausweglos erschienen seien, sagt sie.
Das gelte auch für den Satz, „der mir damals oft um die Ohren geworfen wurde“, sagt Merkel. Als 2015 viele Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, habe sie Vertrauen darin gehabt, „dass es viele Menschen in Deutschland gibt, die in dieser Notsituation helfen“. Deswegen habe sie gesagt „Wir schaffen das“, nicht „Ich schaffe das“, sagt Merkel. Beim Kirchentag erntet sie für den Satz weiter großen Applaus, zum Abschied sogar stehenden.
Selbstkritisch blickt Merkel dagegen auf die Klimapolitik der vergangenen Jahre zurück: „Gerecht werden wir dieser Menschheitsaufgabe bis heute nicht“, sagt sie und fordert in Anlehnung an die Kirchentagslosung „mutig, stark, beherzt“ mehr politische Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel.
Für sie sei die Frage nach wie vor offen, „ob wir Menschen willens und in der Lage sind“, im Sinne der Vorsorge entsprechend den Warnungen und Einschätzungen von Experten zu handeln. „Der Beweis dafür ist bis heute nicht erbracht“, sagt Merkel und ergänzt, dies gelte für Deutschland wie für den Rest der Welt: „Diese Feststellung lastet schwer auf uns, auch auf mir.“ "
Hannover (epd). Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnt davor, die Entwicklungshilfe zu kürzen. Wenn illegale Migration reduziert werden solle, müssten die Ursachen von Flucht und Vertreibung bekämpft werden, sagte Merkel am Donnerstag am Rande des evangelischen Kirchentages in Hannover dem Fernsehsender phoenix. Entwicklungszusammenarbeit sollte der Überzeugung folgen, „dass es uns am besten geht, wenn möglichst viele andere Menschen auf der Welt auch gut leben“.
Hannover (epd). Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) rät ihrer evangelischen Kirche zu gezielten Angeboten für Nichtmitglieder ohne größere Hürden. Auch jenen, „die vielleicht nicht so bibelfest sind und nicht so bibelkundig, und die die Lieder noch nicht singen können“, sollte die Tür zur Kirche offen stehen, sagte Merkel am Donnerstag am Rande des evangelischen Kirchentages in Hannover dem Fernsehsender phoenix: „Wer sich trauen lassen möchte, wer sich vielleicht doch taufen lassen möchte, darf nicht den Eindruck haben, dass die Barriere da so hoch ist, dass das gar nicht geht.“
Viele betrachteten die Kirche heute als einen Ort, an dem man vielleicht nicht willkommen ist, wenn man sich seines Glaubens noch nicht sicher sei, sagte Merkel. Doch kenne diese Zweifel jeder, der sich als Christ bezeichnet.
Der 39. Deutsche Evangelische Kirchentag findet bis Sonntag in Hannover statt. Das fünftägige Treffen steht unter der Losung „mutig - stark - beherzt“. Merkel, die aus einem evangelischen Pfarrhaus stammt, hatte bei dem Christentreffen am Donnerstagmorgen eine Bibelarbeit gestaltet.
In dem phoenix-Interview schilderte Merkel, dass ihr christlicher Glaube ihr während ihrer Kanzlerschaft von 2005 bis 2021 geholfen habe. „Ein Stück Gottvertrauen“ könne dazu beitragen, in schwierigen Situationen akzeptable Lösungen zu finden.
Hannover (epd). Die nigerianische Klimaaktivistin Adenike Titilope Oladosu hält mehr Investitionen der europäischen Länder im Kampf gegen den weltweiten Klimawandel für nötig. Oft würden noch falsche Anreize gesetzt, sagte sie am Donnerstag beim evangelischen Kirchentag in Hannover. „Nigeria kriegt gerade sehr viel finanzielle Unterstützung für den Gas- und Ölabbau.“ Der Wandel zu erneuerbaren Energien werde dagegen zu wenig gefördert.
Afrika stehe bereits „an der Front“ der Klimakrise, sagte die Agrarökonomin in einer Diskussion über Klimagerechtigkeit. Millionen von Menschen seien durch Dürren und Überschwemmungen in ihren Lebensgrundlagen bedroht. Nötig sei ein Ausstieg aus der Gas- und Ölförderung, die indigene Bevölkerungsgruppen von ihrem Land vertreibe und für neue Flüchtlingsströme sorge.
Besonders betroffen seien Frauen, erläuterte Oladosu, die sich auch als Ökofeministin bezeichnet. Oft müssten diese für die Wasserversorgung stundenlang bis zu zwölf Kilometer weit gehen. Damit gingen dem Land viele Milliarden Stunden verloren, die produktiv genutzt werden könnten. Mädchen könnten nicht zur Schule gehen. In der Not zwängen Eltern sie gegen Brautgeld in Kinderehen.
Auch die Sozialforscherin Nicola Fuchs-Schündeln sieht Europa im Einsatz für weltweite Klimagerechtigkeit an zentraler Stelle. Durch die Wahl von US-Präsident Donald Trump, sei die Lage schwieriger geworden, sagte die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung. Nötig sei eine Politik, die folgende Generationen genauso wie die aktuellen im Blick habe. „Nächstenliebe lässt sich nicht gewichten.“
Hannover (epd). Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer hat die Menschen angesichts der multiplen Krisen auf der Welt ermuntert, sich nicht zurückzuziehen und zu verzagen, sondern Mut zum Widerspruch zu haben. Das Engagement gegen die „Verbohrten und Egozentrischen“ zahle sich langfristig aus, sagte die Mitbegründerin von Fridays for Future am Donnerstag auf dem evangelischen Kirchentag in Hannover. „Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen und nicht aus den Augen verlieren, worum es geht - es geht um alles.“
Niemand ändere sofort seine Meinung, sagte Neubauer. Doch sie sei überzeugt, dass gute Argumente und Gespräche auf Augenhöhe nachwirkten. „Das dauert vielleicht und der Effekt ist nicht messbar, aber ich bin überzeugt, dass Menschen ihre Meinungen revidieren können.“
Wichtig sei es, Andersdenkenden nicht ausschließlich auf einer rationalen Ebene, sondern „fühlend“ und mit einem „Vorschussvertrauen“ zu begegnen. „Wir müssen uns unsere Gefühle, unser Herz, unsere Moral bewahren“, sagte Neubauer bei einer Bibelarbeit mit dem Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Christian Stäblein.
Stäblein ermutigte die Menschen ebenfalls, ihre Meinung und Werte zu vertreten und anderen zu widersprechen, wo es ihnen nötig erscheint. „Ohne Widerspruch ist die Welt nicht ganz - möglicherweise braucht auch Gott unseren Widerspruch“, sagt der Bischof.
Hannover (epd). Grünen-Chefin Franziska Brantner hat mit Blick auf den Rohstoffbedarf für die Energiewende und die Digitalisierung für mehr Recycling plädiert. In Deutschland habe Wiederverwertung einen verstaubten Öko-Ruf, sagte sie am Donnerstag beim evangelischen Kirchentag in Hannover: „Wir sind da bei unter einem Prozent.“ Dabei gebe es hierzulande erfolgreiche Firmen in dem Sektor. „In China ist es die hotteste Technologie“, fügte Brantner hinzu.
Die Energieexpertin Grace Mbungu forderte mehr Engagement Deutschlands und der Europäischen Union für verbindliche internationale Standards. Etwa bei der Herstellung von grünem Wasserstoff oder Ammoniak in Afrika mithilfe von Solar- oder Windenergie stehe Deutschland in der Verantwortung. „Wir haben nicht die Möglichkeit, die Partnerschaft auf Augenhöhe mit Deutschland einzugehen“, sagte die Expertin, die aus Kenia stammt. Dabei gehe es auch um soziale Fragen, erläuterte die ehemalige Leiterin des Klimawandelprogramms Africa Policy Research Institute (APRI): „Wir brauchen eine Bemessung des sozial-ökonomischen Wertes von Energie.“
Brantner verwies auf einen Rohstofffonds, den die Ampel-Regierung auf den Weg gebracht habe. Dieser solle dazu beitragen, dass die rohstoffreichen Länder selbst von der Wertschöpfung durch ihre Ressourcen profitieren, auch wenn das zunächst mehr koste. „Es ist teurer, eine Weiterverarbeitung in Brasilien zu machen, wo es keine Kinderarbeit gibt und eine starke Gewerkschaft.“
Hannover (epd). Betroffene von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und Expertinnen sehen den Begriff der Vergebung kritisch. „Ich werde meinem Täter nicht vergeben“, sagte Matthias Schwarz, Betroffenenvertreter im Beteiligungsforum sexualisierte Gewalt, am Donnerstag beim evangelischen Kirchentag in Hannover. Die Vergebung sei nach seinem Verständnis allein die Aufgabe Gottes. Genau diese Erkenntnis habe ihn befreit.
Schwarz war bis zu seinem Ruhestand 2023 Pfarrer in der hessen-nassauischen Kirche. Er äußerte sich auf einem Podium über „Schuld und Vergebung im Angesicht sexualisierter Gewalt“. Schwarz war in seiner Jugend von einem Pastor missbraucht worden.
Auch die psychologische Psychotherapeutin Friedegunde Bölt aus Kassel kritisierte scharf, dass die Kirche Betroffene um Vergebung bitte. Sie tue dies häufig sogar mit dem Hinweis, dass es den Betroffenen selbst helfe: „Das ist eine Lüge. Das ist täterhaftes Verhalten.“ Damit versuche die Kirche den Betroffenen die Verantwortung dafür zuzuschreiben, „dass sie, die Kirche, sich wieder gut fühlen kann“.
Die Theologin Ulrike Peisker aus Mainz betonte, nicht jede Rede von der Schuld dürfe vonseiten der Kirche entlastet werden durch die Rede von Vergebung. Sie riet, den Begriff der Vergebung im Kontext von sexualisierter Gewalt nicht zu verwenden. Er beinhalte, sich dem Täter „liebend“ zuzuwenden: „Und das ist eine Zumutung für die Betroffenen.“
Hannover (epd). Die pfälzische Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst hat der evangelischen Kirche Ignoranz und Lieblosigkeit im Umgang mit Betroffenen von sexuellem Missbrauch vorgeworfen. Sie predige vom barmherzigen Samariter und weise dennoch den Verletzten die Tür, sagte die Sprecherin der kirchlichen Beauftragten im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Donnerstag beim Kirchentag in Hannover. „Die Tür müsste weit offen stehen. Sie tut es nicht.“
Dafür trage auch sie selbst als leitende Theologin Verantwortung, sagte Wüst in einer Dialogbibelarbeit mit der Betroffenenvertreterin im Beteiligungsforum Nancy Janz. Dem Gespräch lag ein Text aus dem Markusevangelium zugrunde, in dem Jesus zunächst hochmütig eine Hilfe suchende fremde Frau abweist, sich dann aber durch deren Hartnäckigkeit belehren lässt. Sie wünsche sich eine Kirche, die letztlich wie Jesus erkennt, wenn sie es „verkackt“ habe. „Kirche muss sich grundsätzlich, konsequent und nachhaltig unterbrechen lassen (...), selbst in Haushaltsplänen.“
Nancy Janz schilderte in der fast voll besetzten Marktkirche, wie die Kirche sie als Betroffene von sexuellem Missbrauch als Störerin abgewiesen und im Stich gelassen, ihr sogar die Schuld zugeschrieben habe. Dennoch mache die Geschichte vom lernenden Jesus ihr Hoffnung. Heiligkeit bestehe nicht darin, keinen Fehler zu machen, sondern bereit zu sein, Fehler einzugestehen und zu lernen. „Meine Hoffnung: Auch das innere Kind in mir, in anderen Betroffenen, kann frei werden, wenn unser Widerspruch endlich ernst genommen wird.“
Hannover (epd). Die Politologin und Journalistin Antje Schrupp hat ein Schuldbekenntnis der evangelischen Kirche für die jahrhundertelange patriarchale Theologie gefordert. „Wir sind eine Institution mit patriarchaler und anti-feministischer Geschichte“, sagte Schrupp am Donnerstag in Hannover auf dem Kirchentag. Es sei wichtig, das klar zu benennen, um sich heutzutage glaubwürdig für die Rechte von Frauen und queeren Menschen einzusetzen. Schupp lebt als freie Journalistin und Autorin in Frankfurt am Main.
Die evangelische Kirche vertrete heutzutage eine liberale und auf Vielfalt beruhende Theologie. Doch das sei lange nicht so gewesen. Es müsse sich zudem erweisen, ob diese liberale Theologie bestehen bleibe angesichts der autoritären Bewegung, die nicht nur in den USA, sondern auch in Europa mächtiger werde. Schrupp sprach auf einem Podium zu rechten Narrativen im digitalen Raum.
Schrupp sagte, Protestanten überschätzten die Fähigkeit der Gesellschaft zum rationalen Diskurs. Es herrsche der Gedanke vor, dass das bessere Argument im Diskurs gewinne. Doch nicht nur im Internet gebe es eine neue Dynamik.
Die Theologin Ruth Heß vom Studienzentrum der Evangelischen Kirche in Deutschland für Genderfragen betonte, im Umgang mit rechter Hetze online wie offline sei es wichtig zu unterscheiden, wann sich die Auseinandersetzung lohne. In den sozialen Medien beobachte sie oft, dass Postings von progressiven Accounts ein Vielfaches an destruktiven Reaktionen produzieren, weil die Akteure zu lange in der Diskussion blieben.
Hannover (epd). Der evangelische Theologieprofessor Thorsten Dietz wünscht sich von seiner Kirche eine „neue Betriebslogik“. Zumindest in Mitteleuropa sei die selbstverständliche Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche vorbei, sagte der in Marburg und Zürich lehrende Systematiker am Donnerstag auf dem 39. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hannover. Das sei kirchengeschichtlich eine neue Situation und „gesamtgeschichlich nicht unverdient“, sagte der 54-Jährige mit Blick auf Kreuzzüge, Hexenverfolgung, Inquisition und sexuellem Missbrauch.
Die Kirche sei nicht mehr die „Mitte der Gesellschaft“, fügte Dietz hinzu. Dennoch habe der christliche Glaube weiterhin eine große Kraft, um Menschen Orientierung und Halt im Leben und auch im Sterben zu geben. Dabei gebe es verschiedene Zugänge zum Christentum, etwa im sozialen und politischen Engagement wie auch im spirituellen Bereich. Keine staatlich-weltliche Organisation könne auf eine durchgehende 2.000-jährige Geschichte zurückblicken - mit allen Höhen und Tiefen.
Der Pfarrer warnte die Kirchen davor, sich mit ihrem geistlichen Angebot von der Welt abzugrenzen. Die Kirche müsse vielmehr vermitteln zwischen einer „Glaube ohne Welt“ und einer „Welt ohne Glauben“. Der in Wattenscheid geborene Dietz ist ordentliches Mitglied des Kammernnetzwerks der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Im vergangenenJahr erhielt er den Ökumenischen Predigtpreis in der Kategorie Podcast.
Hannover (epd). Der Magdeburger katholische Bischof Gerhard Feige hat für einen realistischen Blick auf die Chancen und Grenzen ehrenamtlicher Arbeit plädiert. „Hauptamt und Ehrenamt bedingen sich gegenseitig“, sagte Feige am Donnerstag beim evangelischen Kirchentag in Hannover: „Allein auf das Ehrenamt zu setzen, kann oftmals eine Überforderung bedeuten. Ehrenamt braucht auch Hauptamt.“
Wegen immer geringerer Ressourcen an Geld und Personal werden im katholischen Bistum Magdeburg laut Feige inzwischen viele Pfarreien von ehrenamtlichen pastoralen Leitungsteams geleitet. Hauptamtliche sind gemeindeübergreifend tätig. Verwaltungskoordinatoren erleichtern den ehrenamtlichen Gremien ihre Arbeit, vor allem wenn es vor Ort soziale Einrichtungen wie Kindergärten oder Altenheime gibt.
Ein solcher Veränderungsprozess bringe Verunsicherungen mit sich, vor allem bei den Hauptamtlichen, erläuterte Feige: „Man muss sich in seiner Rolle neu finden.“ So müsse er zu Konferenzen jetzt häufiger am Abend fahren, weil die Ehrenamtlichen tagsüber arbeiten müssten. „Auf jeden Fall spüren wir bei den Ehrenamtlichen eine große Euphorie“, sagte Feige: „Sie sind sehr davon angetan, auf diese Weise mit einbezogen zu werden.“
Wichtig sei, einen solchen Prozess intensiv zu begleiten, betonte der Bischof: „Man kann nicht Menschen einfach ins kalte Wasser werfen.“ Sie müssten gut vorbereitet werden. „Und man muss auch motivieren.“ Ehrenamtliche dürften sich nicht wie ein Notnagel oder Lückenbüßer fühlen. Alle Getauften seien dazu berufen, die Kirche mitzugestalten.
Hannover (epd). Kirchentagspräsidentin Anja Siegesmund wünscht sich einen Kirchentag mit Durchschlagskraft. Die Losung „mutig - stark - beherzt“ sei aktivierend gemeint, sagte die frühere thüringische Umweltministerin und Grünen-Politikerin am Donnerstag auf dem evangelischen Kirchentag in Hannover. Sie appelliere an jeden Einzelnen, sich einzumischen und laut zu Wort zu melden.
Christ zu sein, bedeute, Haltung zu zeigen, seine Überzeugungen und Werte im Alltag zu leben, unterstrich Siegesmund: „Und das nicht nur sonntags von 10 bis 11 Uhr während des Gottesdienstes.“
Auch schwierigen Fragen, wie der nach Krieg und Frieden, dürften die Menschen nicht ausweichen. Der Kirchentag sei ideal, um über den Weg zum Frieden ins Gespräch zu kommen: „Ich weiß, dass wir alle die Sehnsucht nach Frieden im Herzen tragen.“ Sie selbst sei der festen Überzeugung, dass die Ukraine unterstützt werden müsse. „Es gibt jemanden, der den Krieg ganz einfach beenden kann und das ist Russland“, sagte Siegesmund und erhielt dafür viel Applaus.
Hannover (epd). Mit Blick auf das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren fordern Christen in einem „Friedensruf“ mehr Engagement der Politik für die Lösung aktueller Konflikte. Laut dem am Donnerstag in Hannover veröffentlichten Appell ist eine Wirtschaft, die das Gemeinwohl sowie den Umwelt- und Klimaschutz in den Mittelpunkt stellt, Voraussetzung für den Frieden. Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg in Europa und damit die NS-Diktatur.
Verabschiedet wurde der Appell von einer unabhängigen „Friedenssynode“ in Hannover, die parallel zum 39. Deutschen Evangelischen Kirchentag stattfindet. Schirmfrau ist die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und frühere hannoversche Landesbischöfin, Margot Käßmann.
Der Friedensappell richtet sich unter anderem gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen und Marschflugkörpern in Europa sowie gegen ein mögliches europäisches Atomwaffenprogramm. Auch die „Militarisierung von Wirtschaft, Bildung und Gesundheitswesen“ wird abgelehnt. Kritisiert wird zudem eine Erhöhung von Rüstungsausgaben auf Kosten sozialer, ökologischer und pädagogischer Belange.
Die Initiatoren des Appells fordern entschlossenen diplomatischen Einsatz für gewaltfreie Konfliktlösungen, die Auflösung der Militärbündnisse und die Schaffung einer globalen Sicherheitsstruktur.
Hannover (epd). Der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, sieht im fortgesetzten Krieg zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen keinen Gewinn mehr für die Sicherheit des jüdischen Staats. Es zeichne sich ab, dass ein Krieg, der immer weiterlaufe, auch für Israel keine Sicherheit schaffe, sagte Seibert am Donnerstag bei einer Veranstaltung beim evangelischen Kirchentag in Hannover, an der er per Videoschalte teilnahm.
Seibert verteidigte Israels militärisches Vorgehen nach dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. Jeder Staat habe das Recht, aber auch die Pflicht, seine Bürger in solch einer Situation zu verteidigen, sagte er. Heute sei man aber „an einem anderen Punkt“. Es habe Zehntausende tote Zivilisten und die „völlige physische Zerstörung“ des Gaza-Streifens gegeben. Dort gebe es kaum noch eine Lebensgrundlage, die hygienischen Zustände seien verheerend. Allein auf Grundlage militärischer Stärke könne man die Sicherheit eines Volkes nicht aufbauen, sagte Seibert.
Bei dem Podium mit dem Titel „Ringen um Worte - Israel, Europa und wir“ wurde der Botschafter und frühere Regierungssprecher Seibert auch gefragt, wie Deutschland vor dem Hintergrund des Strafbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Benjamin Netanjahu mit einem Besuch des israelischen Premierministers umgehen würde. Mit Blick auf die kommende Woche geplante Kanzlerwahl sagte Seibert, es sei üblich, dass ein neuer deutscher Regierungschef nach Israel komme, um sich vorzustellen. Es gebe daher „keinen Grund, über anderes zu spekulieren“.
Hannover (epd). Der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hält nichts vom Anspruch, bei politischen Zielen „Menschen mitzunehmen“. Ihn nerve die Formulierung, die Menschen müssten „mitgenommen werden“, sagte de Maizière am Donnerstag beim Kirchentag in Hannover. Mitgenommen werde man vom Bus. In der Fahrerkabine sitze aber kein Kanzler. In der Demokratie gehe es ums Mitmachen, sagte de Maizière, der auch dem Kirchentagspräsidium angehört.
Der CDU-Politiker diskutierte unter anderem mit der Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, über die Frage, ob Krisen ein Motor für die Demokratie sein könnten.
Heinrich widersprach dabei der These, dass die Demokratie in einer Krise oder unter Druck sei. Das demokratische Engagement insbesondere junger Menschen gehe nicht zurück. Junge Menschen würden aber nicht spüren, „dass sie einen Unterschied machen“, sagte Heinrich.
Junge Menschen könnten beim Technischen Hilfswerk, der Freiwilligen Feuerwehr, den Jugendorganisationen der Parteien mitmachen, entgegnete de Maizière. Fünf junge Menschen könnten aktuell einen ganzen Ortsverband umkrempeln, sagte er.
Hannover (epd). Seit ihrer Entstehung vor 2.000 Jahren hat die Kirche laut der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, einen öffentlichen Auftrag. „Christentum ist eine öffentliche Angelegenheit“, sagte die Hamburger Bischöfin am Donnerstag auf dem Kirchentag in Hannover. Christinnen und Christen verträten Werte wie Solidarität und Nächstenliebe, die 2.000 Jahre alt seien.
In der Debatte über öffentliche Äußerungen zu politischen Themen von Kirchenvertretern sagte Fehrs, wenn man Kirche in eine politische Ecke dränge, ärgere sie das. Denn was Themen wie die Bewahrung der Schöpfung, den Schutz des Lebens und Menschenwürde angehe, fühle man sich mit allen demokratischen Parteien verbunden. Natürlich gebe es aber manchmal unterschiedliche Einschätzungen - wie etwa in der Migrationspolitik.
Auch wenn die Kirchen Mitglieder verlören, seien sie immer noch stabilisierende Faktoren der Demokratie. Das Grundverständnis einer Solidargemeinschaft gehe in der Gesellschaft verloren, sagte Fehrs. Unter diesen Bedingungen sei es aber auch für die Kirchen schwer, die Mitgliederzahlen stabil zu halten.
Hannover (epd). In der Debatte um politische Einmischungen der Kirchen hat der geschäftsführende Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) Christen aufgerufen, Streit nicht auszuweichen. „Es muss doch verflixt nochmal so sein, dass gerade jetzt in diesen Zeiten engagierte Christinnen und Christen sich einmischen“, sagte Heil bei einer Bibelarbeit am Donnerstag beim Kirchentag in Hannover: „Eine stumme Kirche ist eine dumme Kirche.“
Heil ist Mitglied im Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentags. Der Kirchentag sei immer ein Ort gewesen, an dem Glaube auf Gesellschaft trifft, fuhr Heil fort. „Wenn wir die Gesellschaft zusammenführen wollen, müssen wir uns dem Widerspruch stellen.“ Nötig sei „nicht mehr Einförmigkeit“, sondern mehr Streit. Als Teil des Kirchentags müsse er selbstkritisch einräumen: „Wir sind auch manchmal ein bisschen zu mittelalt, zu akademisch und zu einig.“
Hannover (epd). Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay hat die Kirchen ermutigt, zu politischen Fragen Stellung zu beziehen. „Kirche soll sich einmischen - auf mutige und beherzte Art, wie es das Motto des Kirchentages fordert“, sagte der Grünen-Politiker am Mittwochabend bei einem Empfang anlässlich des 39. Deutschen Evangelischen Kirchentages im Neuen Rathaus: „Das macht Kirche stark.“ Als Oberbürgermeister ist Onay Gastgeber des Protestantentreffens, bei dem noch bis zum Sonntag mehrere Zehntausend Menschen miteinander feiern, beten und diskutieren.
Der Kirchentag biete ein Forum, sich kritisch mit sich selbst auseinanderzusetzen, sagte Onay vor rund 350 Gästen aus Politik, Gesellschaft und Religion. Für diese offene Form der Auseinandersetzung werde Courage und innere Stärke gebraucht. Onay, der auch die türkische Staatsbürgerschaft besitzt, war 2019 zum ersten Oberbürgermeister einer deutschen Landeshauptstadt mit Migrationshintergrund gewählt worden.
Bei dem Empfang bezog er sich auf eine Kritik von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU). Die Katholikin hatte sich zu Ostern in der „Bild am Sonntag“ von den Kirchen mehr Sinnstiftung und weniger Stellungnahmen zu tagesaktuellen Themen im Stile einer Nichtregierungsorganisation gewünscht. Am Samstag ist Klöckner zu Gast beim Kirchentag.
Hannover (epd). In der Diskussion um Äußerungen von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) zu politischen Stellungnahmen der Kirchen hat CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann deren Bedeutung betont. „Wir brauchen die Kirchen“, sagte Linnemann am Mittwochabend bei einem Empfang des Evangelischen Arbeitskreises (EAK) der Unionsparteien zum evangelischen Kirchentag in Hannover: „Sie können diesem Land als Kirche etwas vermitteln, was wir in der Politik nicht vermitteln können.“
Linnemann sagte, derzeit verlören Menschen Halt und Orientierung und gleichzeitig sei die Sehnsucht danach „so groß wie noch nie“. Diese Sehnsucht zu erfüllen, könne man in der Politik „nicht abschließend organisieren“. Deswegen würden die Kirchen „dringendst“ gebraucht. Der CDU-Generalsekretär, der anstelle des zunächst angekündigten Parteichefs Friedrich Merz zum EAK-Empfang kam, sagte, Kirche könne gleichzeitig nicht an die Stelle der Politik treten. Beide Seiten müssten „ihre Rollen verstehen“.
Klöckner hatte sich zu Ostern in der „Bild am Sonntag“ von den Kirchen mehr Sinnstiftung und weniger Stellungnahmen zu tagesaktuellen Themen gewünscht und damit eine Debatte ausgelöst. Sie wird den Kirchentag am Samstag besuchen.
Auch die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, nahm bei der Parteiveranstaltung Bezug zu der von Klöckner ausgelösten Diskussion. Christlicher Glaube sei „immer schon öffentlicher Glaube gewesen“, sagte sie, warb aber dafür, das Gemeinsame nicht zu vergessen: „Im Glauben gehören wir zusammen, auch wenn wir unterschiedliche Meinungen vertreten.“
Hannover (epd). Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) betrachtet „zivilisierten Streit“ als wichtiges Element der Demokratie. Beim Ringen um Lösungen gehöre es dazu, „Kritik zu ertragen, nicht zu zimperlich zu sein, und mal was auszuhalten“, sagte Kretschmann am Donnerstag bei einer Bibelarbeit auf dem evangelischen Kirchentag in Hannover. Zugleich müsse Streitkultur auf Regeln, Werten und der Fähigkeit zum Kompromiss basieren.
Kretschmann kritisierte, dass die Bereitschaft, einander zuzuhören, abgenommen habe. „Das fängt schon bei uns selbst an, wenn wir eine vorgefertigte Meinung haben, einander das Wort abschneiden, uns lieber mit Gleichgesinnten umgeben“, sagte der Ministerpräsident. Zudem stellten „Populisten, die aufhetzen und spalten, Trolle, die Lügen verbreiten und Radikale, die Andersdenkende niederbrüllen“ eine Bedrohung für die Debattenkultur dar.
Kretschmann unterstrich, dass es zu einer gelingenden Demokratie gehöre, die Verschiedenheit von Ansichten, Lebensweisen und kulturellen Prägungen in der Gesellschaft anzuerkennen. Populisten täten dies nicht. Sie seien nicht daran interessiert, „das Zusammensein der Verschiedenen“ zu organisieren, sondern versprächen die Lösung sozialer Herausforderungen durch Ausgrenzung und Abwertung.
Dieser Haltung müssten Christinnen und Christen widersprechen, forderte Kretschmann. „Es darf in unserer Gesellschaft kein Drinnen und Draußen geben. Sonst gibt es keinen Zusammenhalt“.
Hannover (epd). Der geschäftsführende Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) rechnet mit großen Umwälzungen in der Arbeitswelt durch Künstliche Intelligenz (KI) und Automatisierungen. In der Debatte um KI erlebe er dabei einen „pendelnden politischen Extremismus“ zwischen Weltuntergangsszenarien und kritiklosem Jubel, sagte Heil mit Blick am „Tag der Arbeit“ auf einem Podium des evangelischen Kirchentags in Hannover.
„Wir dürfen erstmal keine Angst haben - ohne naiv zu sein“, riet Heil, der auch Mitglied im Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages ist. Nötig sei eine „präventive Arbeitsmarktpolitik“, durch die Beschäftigte einfacher und schneller umlernen könnten, wenn sie ihre Arbeit infolge des technischen Fortschritts verlören.
Sicherheit vor diesem Wandel könne die Politik den Menschen nicht versprechen, dafür aber „Sicherheit im Wandel“, ergänzte der Minister. Der SPD-Politiker schlug vor, einen Rechtsanspruch dafür zu schaffen, im Leben mehrfach einen neuen Beruf lernen zu können: „Das Ziel ist, Beschäftigten die Angst zu nehmen, dass sie verlieren, und dafür zu sorgen, dass sie die Arbeit von morgen übernehmen können.“
Schon am Morgen hatte sich Heil in einer Bibelarbeit mit dem Modell des Sozialstaates als Grundlage für gute Arbeit beschäftigt. Dabei gehe es um Freiheit und Würde, für die Christinnen und Christen kämpften.
Dieser Kampf könne nur gemeinsam geschehen, mahnte der Bezirksvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Niedersachsen, Mehrdad Payandeh, auf der Mai-Kundgebung der Gewerkschaften am Rande des Kirchentages in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Daran beteiligten sich laut DGB rund 5.000 Demonstrantinnen und Demonstranten.
Angesichts ökonomischer und sozialer Krisen forderte Payandeh in seiner Mairede zum Schulterschluss auf im Einsatz für die Demokratie und gegen Hass, wachsenden Rassismus und Antisemitismus: „Wir brauchen mehr denn je Zusammenhalt.“
Damit lag er auf einer Linie mit Kirchentagspräsidentin Anja Siegesmund, die sich auf der Bühne vor der Mai-Kundgebung für „einen Aufbruch und mehr Gemeinsamkeit“ einsetzte und warnte: „Demokratie ist keine Komfortzone, sondern harte Arbeit.“
Während der Kundgebung wurde aber auch Kritik am kirchlichen Arbeitsrecht laut, das Gewerkschaftern zufolge von hierarchischen Strukturen und mangelnder Mitbestimmung geprägt ist. Bundesweit hatte der DGB am Maifeiertag unter dem Motto „Mach dich stark mit uns!“ zu Demonstrationen aufgerufen. Daran hatten sich den Angaben zufolge bei 450 Veranstaltungen und Kundgebungen rund 330.000 Menschen beteiligt.
Der „Tag der Arbeit“ hat seinen Ursprung in den USA. Im Jahr 1865, am Ende des amerikanischen Bürgerkriegs, erhoben Gewerkschaften erstmals die Forderung nach einem achtstündigen Arbeitstag. Zur Durchsetzung ihrer Forderung rief die Arbeiterbewegung am 1. Mai zu einem Generalstreik auf. Heute ist der „Tag der Arbeit“ in zahlreichen Ländern weltweit ein gesetzlicher Feiertag.
Hannover (epd). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist begeistert: „Was für eine Kulisse, was für ein Wetter“, ruft er der Menschenmenge am Mittwochabend nach dem Eröffnungsgottesdienst auf dem „Platz der Menschenrechte“ in Hannover zu. Und nein, ein Wunder sei das nicht: „Es ist Kirchentag.“ Er habe sich auf die Menschen, auf den Moment der Eröffnung, auf Hannover gefreut, bekräftigt das Staatsoberhaupt zum Auftakt des 39. Deutschen Evangelischen Kirchentages, der bis Sonntag in der niedersächsischen Landeshauptstadt gefeiert wird.
Unter der biblischen Losung „mutig - stark - beherzt“ gehören und 1.500 Veranstaltungen zum Programm, darunter Bibelarbeiten, Podien, Gottesdienste und große Konzerte - und der traditionelle „Abend der Begegnung“ nach den Eröffnungsgottesdiensten. Der Kirchentag, schwärmt Steinmeier, sei für ihn wie ein „Nach-Hause-Kommen“: „Man trifft bekannte Gesichter, Weggenossen und freut sich über ein Wiedersehen.“
Auch für den Kirchentag selbst ist es ein „Nach-Hause-Kommen“. Hier in Hannover wurde das Treffen 1949 als evangelische Laienbewegung ins Leben gerufen - damals noch ohne die große Party, die der „Abend der Begegnung“ mit seinen diesmal rund 150.000 Gästen in der hannoverschen Innenstadt ist.
Auf 14 Bühnen und Aktionsflächen gibt es Musik für jeden Geschmack. An 200 Aktionsständen können Besucherinnen und Besucher sehen, was die gastgebende Kirche in Niedersachsen ausmacht. Und wie sie schmeckt: Die Speisekarte in den Imbiss-Pavillons reicht vom Calenberger Zuckerkuchen über Tee und Krintstuut aus dem küstennahen Ostfriesland bis zur Wildschweinwurst aus dem Höhenzug des waldigen Deister.
„An jeder Ecke treffe ich jemanden, den ich kenne“, freut sich Heike Proske, die mit dem Zug aus Dortmund angereist ist. „Das ist wie Familie“, findet ähnlich wie Steinmeier auch die 63-jährige Theologin. Der Abend sei für sie aber nicht nur ein Durchatmen, bevor es in den kommenden Tagen auf Podien, in Diskussionen und Workshops um die großen Krisen und Themen der Gegenwart gehe: „Es ist ein Abend, der mich für das öffnet, was kommt, der bereit macht, neue Impulse aufzunehmen.“ Die Stimmung, der Spirit des Kirchentags, bauten dafür eine stabile Brücke: „Überall Menschen mit einem Lächeln auf den Lippen.“
Sie freue sich auf ganz unterschiedliche Leucht-Momente in den kommenden Tagen, hatte Kirchentagspräsidentin Anja Siegesmund kurz zuvor noch gesagt. Der Mittwochabend gehört für Jonas Heemann unbedingt dazu. Der 19-Jährige ist aus Nürnberg gekommen, wo vor zwei Jahren Kirchentag gefeiert wurde. „Sehr bunt, an jeder Ecke gibt es Überraschendes zu entdecken“, begeistert sich der kirchliche FSJler nun für die riesige Partymeile in der Innenstadt. So etwa das Doppelbett, in das sich fußlahme Kirchentagspilger an der Marktkirche fallen lassen können, eine „Kusshaltestelle“ ein paar Schritte weiter, Glitzertattoos oder reichlich „Segen to go“ in Nachbarschaft zum Landtag.
Er freue sich aber auch, „einfach mal Gast sein zu dürfen“, betont Jonas Heemann beim Schlendern durch die Altstadt-Gassen. Er hoffe in Hannover auf eine gute Zeit, um miteinander reden zu können, sich auszutauschen „und vielleicht ein bisschen die Welt zu verändern“. Da sei das Motto des Kirchentags genial, meint Heike Proske: „Ich wünsche mir Ermutigung, um beherzt die Themen anzugehen, die uns auf den Nägeln brennen - für mich, für die Gesellschaft, für die Zukunft.“
Vielleicht hilft dabei auch das Lichtermeer, das auch in Hannover erfunden wurde, damals, beim Kirchentag 2005. Zum Ende des „Abends der Begegnung“ werden tausende Kerzen entzündet: ein herzerwärmender Moment, der für viele Gäste der Höhepunkt des kirchlichen Straßenfestes ist. Und vielleicht auch Inspiration für die nächsten Tage.
„Gerecht werden wir dieser Menschheitsaufgabe bis heute nicht.“
Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisiert beim evangelischen Kirchentag in Hannover mangelnde Fortschritte im Kampf gegen den Klimawandel.
„Ich vermute, ehrlich gesagt, dass ich das aus Prinzip gerne wöllte, und dass ich es auch jetzt wollen würde, wenn ich es nicht schon gewesen wäre.“
Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Rande des evangelischen Kirchentages in Hannover in einem Interview mit dem Fernsehsender phoenix auf die Frage, ob sie sich angesichts der aktuellen politischen Herausforderungen eine Kanzlerschaft in der Gegenwart vorstellen könnte. Die heute 70 Jahre alte Merkel war bis 2021 im Amt.
„Demokratie ist keine Komfortzone, sondern harte Arbeit.“
Kirchentagspräsidentin Anja Siegesmund auf einer Kundgebung zum Tag der Arbeit am Rande des 39. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Hannover.
„Es muss doch verflixt nochmal so sein, dass gerade jetzt in diesen Zeiten engagierte Christinnen und Christen sich einmischen. Eine stumme Kirche ist eine dumme Kirche.“
Der geschäftsführende Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) auf dem evangelischen Kirchentag in Hannover zur Debatte über politische Einmischungen der Kirchen.
„Die Demokratie basiert auf fairen Aushandlungsprozessen anhand von Regeln und Werten. Das ist etwas anderes als ein Deal. Bei einem Deal gewinnt immer nur der Stärkste.“
Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann auf dem evangelischen Kirchentag in Hannover über demokratische Streitkultur.
„Sie können, müssen, sollen, dürfen uns Juden insgesamt und Israel kritisieren noch und nöcher. Aber haben Sie doch bitte Verständnis dafür, dass wir dankbar sind, wenn jemand uns schützt.“
Der in Tel Aviv geborene Historiker Michael Wolffsohn beim 39. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hannover.