Hannover (epd). Betroffene von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und Expertinnen sehen den Begriff der Vergebung kritisch. „Ich werde meinem Täter nicht vergeben“, sagte Matthias Schwarz, Betroffenenvertreter im Beteiligungsforum sexualisierte Gewalt, am Donnerstag beim evangelischen Kirchentag in Hannover. Die Vergebung sei nach seinem Verständnis allein die Aufgabe Gottes. Genau diese Erkenntnis habe ihn befreit.

Schwarz war bis zu seinem Ruhestand 2023 Pfarrer in der hessen-nassauischen Kirche. Er äußerte sich auf einem Podium über „Schuld und Vergebung im Angesicht sexualisierter Gewalt“. Schwarz war in seiner Jugend von einem Pastor missbraucht worden.

„Eine Zumutung“

Auch die psychologische Psychotherapeutin Friedegunde Bölt aus Kassel kritisierte scharf, dass die Kirche Betroffene um Vergebung bitte. Sie tue dies häufig sogar mit dem Hinweis, dass es den Betroffenen selbst helfe: „Das ist eine Lüge. Das ist täterhaftes Verhalten.“ Damit versuche die Kirche den Betroffenen die Verantwortung dafür zuzuschreiben, „dass sie, die Kirche, sich wieder gut fühlen kann“.

Die Theologin Ulrike Peisker aus Mainz betonte, nicht jede Rede von der Schuld dürfe vonseiten der Kirche entlastet werden durch die Rede von Vergebung. Sie riet, den Begriff der Vergebung im Kontext von sexualisierter Gewalt nicht zu verwenden. Er beinhalte, sich dem Täter „liebend“ zuzuwenden: „Und das ist eine Zumutung für die Betroffenen.“