

Rotenburg (epd). „Es ist ganz wichtig, die Vorteile des Onboardings zu nutzen, also systematische Schritte zum Ankommen und zur Integration. Und das beginnt nicht erst, wenn die neuen Kolleginnen und Kollegen hier bei uns sind“, sagt Eugenia Henke. Sie sei über Jahre permanente Ansprechpartnerin für die ausländischen Kolleginnen. Aber: Man dürfe auch die Stammbelegschaft nicht vergessen, wenn die Integration auf Dauer gelingen soll. Die Fragen stellte Dirk Baas.
epd sozial: Frau Henke, Sie sind Integrationsmanagerin beim Agaplesion Diakonieklinikum Rotenburg. Und verantwortlich für das Onboarding neuer Mitarbeitender aus dem Ausland. Was ist die Idee dahinter?
Eugenia Henke: Neuen Fachkräften aus dem Ausland und neuen Mitarbeitenden, die von anderen Trägern zu uns nach Rotenburg kommen, zu helfen, sich im Unternehmen, aber auch im sozialen Umfeld einzuleben, ist tatsächlich mein täglicher Job. Ich habe das Projekt vor drei Jahren aufgebaut, es gab vorher niemanden, der das im Agaplesion Rotenburg gemacht hat. Es ist ganz wichtig, die Vorteile des Onboardings zu nutzen, also systematische Schritte zum Ankommen und zur Integration. Und das beginnt nicht erst, wenn die neuen Kolleginnen und Kollegen hier bei uns sind.
epd: Wie gehen Sie vor, wenn Sie im Ausland nach neuem Personal suchen und wann setzt das Onboarding ein?
Henke: Wir suchen die Pflegekräfte auf den Philippinen über eine Agentur. Ich selbst war aber auch schon für Bewerbungsgespräche dort. Die Agentur, die auch schon Kurse zur kulturellen Integration anbietet, setzt auf das Online-Kennenlernen und schlägt dann aus ihrer Sicht geeignete Interessenten vor. Die Unterlagen schaue ich mir an, und dann lade ich zu einem Online-Bewerbungsgespräch ein. Das ist schon Teil des Onboardings. Wenn wir dann sehen, dass die Bewerberinnen zu uns passen und auch zu uns kommen wollen, vereinbaren wir weitere Kontaktgespräche. Dann müssen sie Deutsch lernen, das geht auch über eine Agentur, die sich um diese Kurse kümmert. Wenn sie dann den Sprachlevel B2 nachgewiesen haben, reisen sie nach Deutschland ein.
epd: Dann beginnt für Sie die eigentliche Arbeit ...
Henke: Ja, das stimmt. Aber ich muss auch klar sagen, dass lange bevor die Personen hierherkommen, ein intensiver und regelmäßiger Kontakt besteht. Denn bis zur Einreise vergehen oft mindestens anderthalb Jahre. Ich begleite sie den ganzen Weg. Alle vier bis acht Wochen sprechen wir uns online. Dabei wird schon eine Beziehung aufgebaut, die möglichst lange halten soll.
epd: Was wird da genau besprochen?
Henke: Die Themen sind vielfältig. Ich gebe Informationen über den Ort, an dem sie später wohnen werden. Über die Wohnmöglichkeiten, über das deutsche Gesundheitssystem, unser Krankenhaus und auch über die soziale Integration hier in unser Unternehmen. Wir sprechen über kulturelle Unterschiede und auch über Gemeinsamkeiten.
epd: Und was passiert nach der Einreise?
Henke: Die regelmäßigen Treffen gehen weiter. Ich bin dann Ansprechpartner an sieben Tagen die Woche. Jetzt rückt die Begleitung in privaten Angelegenheiten in den Mittelpunkt des Prozesses. Und ich bin dann auch bei den Eingliederungen in den Abteilungen dabei. Dazu habe ich ein Mentorenprogramm entwickelt. Die Mentoren kümmern sich um die ausländischen Pflegekräfte auf den Stationen, vor allem in der Einarbeitungszeit. Einmal im Monat treffen sich die Mentoren zum Austausch, da geht es um aktuelle Probleme, um Hürden und Herausforderungen in der Praxis, aber auch um Fortschritte bei der Einarbeitung. Und wir bieten da auch immer Fortbildungen zu bestimmten Themen an, etwa zu Konfliktgesprächen. Und wir bieten auch interkulturelle Trainings an, mit das gute Miteinander zu fördern. Auch das Mentoren-Programm ist im Schwerpunkt darauf ausgelegt.
epd: Die bereits vorhandene Stammbelegschaft muss bei der Aufnahme ausländischer Kolleginnen auch mitziehen. Haben Sie die auch im Blick?
Henke: Ja. Beide Gruppen sind Komponenten, die auf der gleichen Waagschale liegen. Es muss auf die Belange aller Mitarbeitenden geachtet werden, nur dann gelingt eine nachhaltige Integration. Man muss der Stammbelegschaft, die die gleiche tägliche Belastung im Job trägt, immer wieder signalisieren, dass sie wichtig sind für den Erfolg des Unternehmens. Man darf keine Unwucht dadurch erzeugen, dass man sich nur um die neuen Mitarbeitenden kümmert. Das wäre fatal. Deshalb gibt es bei uns auch regelmäßige Treffen mit den Stationsleitungen. Die Abteilungen werden vor dem Ankommen der Kolleginnen geschult, damit klar ist, welche Aufgaben jeder Einzelne im Umgang mit ihnen hat.
epd: Dieser Prozess der Willkommenskultur muss irgendwann ein Ende haben. Wann ist es soweit?
Henke: Das kann ich gar nicht generell sagen. In den zurückliegenden drei Jahren sind rund 40 Pflegekräfte aus dem Ausland hier angekommen, die auch bereits anerkannt sind. Acht Personen sind noch in einer Weiterbildung und in der Anerkennungsphase. 20 weitere Personen werden bis Ende des Jahres erwartet. Die ersten, die kamen, begleite ich immer noch, doch es geht dann um andere Hilfen. Es wird weniger Unterstützung gebraucht, aber der Kontakt reißt nie ganz ab, und das ist auch gut so.
epd: Was steht dann an?
Henke: Wenn die Anerkennung bewältigt ist, geht es darum, dass die neuen Mitarbeitenden eigenen Wohnraum brauchen. Bis dahin wohnen sie in Appartements, die wir bereitstellen. Es geht also um die Unterstützung bei der Wohnungssuche. Dann kommt unter Umständen der Familiennachzug, der wichtig ist, damit sich die Leute heimisch fühlen und die Familien komplett sind. Auch das ist nicht einfach und voller bürokratischer Hürden. Und dann, wenn etwa Kinder, da sind, helfe ich bei der Suche nach einem Kitaplatz oder der passenden Schule. Also, die Begleitung hört eigentlich nicht auf, auch beruflich nicht. Denn die neuen Kolleginnen wollen sich auch weiterbilden, das versuche ich dann auch zu unterstützen.
epd: Reden wir noch über ihre Erfahrungen mit der Integration von Fachkräften aus dem Ausland. Funktioniert der Onboarding-Prozess?
Henke: Wir haben 40 Fachkräfte in drei Jahren hierhergeholt. Die haben alle ihre Anerkennung, sie haben also eine Aufenthaltsgenehmigung für zunächst vier Jahre. Nur eine Person ist aus privaten Gründen wieder in ihre Heimat auf die Philippinen zurückgekehrt. Ich denke, wir haben erfolgreich gearbeitet, und es ist auch so, dass wir als Maximalversorger mit 23 Fachabteilungen gerade für junge Menschen, die sich beruflich entwickeln wollen, gute Perspektiven bieten. Aber auch ältere Kollegen, die Berufserfahrung mitbringen, können ihre Expertise hier gut einbringen. Längst sind auch neue ausländische Mitarbeitende, die ihre Anerkennung bei einem anderen Träger gemacht haben, zu uns gewechselt. Es hat sich herumgesprochen, dass wir uns kümmern und auch die soziale Integration begleiten. Längst nicht alle Unternehmen haben extra einen Integrationsbeauftragten. Dort wird die Fachkräfteanwerbung meist von den Personalabteilungen gesteuert. Doch die haben ja eigentlich ganz andere Aufgaben, es fehlt oft an Knowhow und auch an der Zeit, die eine langjährige persönliche Betreuung der Zuwanderer einfach braucht.