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Gastbeitrag

Gewalthilfegesetz - Hoffen auf verbindliche Regelungen und mehr Frauenhausplätze




Dorothea Hecht
epd-bild/Dorothea Hecht/privat
Mit dem Gewalthilfegesetz will Familienministerin Lisa Paus einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung für Betroffene geschlechtsspezifischer Gewalt schaffen. Erstmals würde es einheitliche Vorgaben für die Finanzierung von Frauenhäusern und Beratungsstellen geben. Die Frauenhauskoordinierung begrüßt die Pläne und hofft, dass den Verlautbarungen auch Taten folgen, so Rechtsreferentin Dorothea Hecht im Gastbeitrag für epd sozial.

Im Jahr 2023 hat das Bundeskriminalamt (BKA) 340 versuchte oder vollendete Tötungsdelikte gegenüber weiblichen Opfern gezählt, 155 davon haben den Angriff nicht überlebt. Diese traurige Tatsache steht an der Spitze einer langen Liste von strafbaren oder unerträglichen Handlungen im Kontext von Partnerschaftsgewalt. Die Folgen betreffen die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit, die Existenz der gewaltbetroffenen Frauen und das Wohlergehen ihrer Kinder. Staat und Gesellschaft sind verpflichtet, diese Menschen zu schützen.

Die von Deutschland bereits 2018 unterzeichnete Istanbul-Konvention des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ist hierzulande geltendes Recht. Zu ihrer Umsetzung gehört, dass angesichts der hohen und zudem steigenden Fallzahlen von geschlechtsspezifischer Gewalt an Frauen der eklatante Mangel an Schutz- und Unterstützungsmöglichkeiten beseitigt wird.

Derzeit fehlen rund 14.000 Frauenhausplätze

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag festgelegt, das Recht auf Schutz vor Gewalt für jede Frau und ihre Kinder abzusichern. Anzahl, Verteilung und Ausstattung der Unterstützungseinrichtungen sind seit Jahr-zehnten defizitär. Der Ausbau von Frauenhäusern muss mit dem Ziel vorangebracht werden, jeder gewaltbe-troffenen Frau und ihren Kindern jederzeit ein Platzangebot machen zu können. Anhand der Istanbul-Konvention lassen sich mehr als 14.000 fehlende Frauenhausplätze in Deutschland berechnen.

Darüber hinaus muss auch das übrige Hilfesystem entsprechend bedarfsgerecht ausgebaut werden. Erforderlich ist dafür ein bundeseinheitlicher Rechtsrahmen und eine verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern und Beratung. Der Bund hat eine finanzielle Beteiligung versprochen.

Bemühungen um ein darauf bezogenes Gewalthilfegesetz sind jetzt im Gange. Weil viele Ressorts und die föderale Struktur der Bundesrepublik einzubeziehen sind, handelt es sich um ein komplexes Vorhaben. Die ohnehin strapazierte Haushaltslage erschwert die Entscheidungsfindung. Betrachtet man allerdings die gesamtgesellschaftlichen Kosten in Deutschland, die durch geschlechtsspezifische Gewalt gegenüber Frauen und solche in intimen Partnerschaften ausgelöst werden - nämlich zusammen 82,2 Milliarden Euro jährlich - so fallen die jetzt nach einer jüngst erschienenen Studie aufzubringenden knapp 700 Millionen bis 1,6 Milliarden für das auszubauende Hilfesystem kaum ins Gewicht.

Deutschland steht rechtlich in der Pflicht zum Handeln

Auch kann sich Deutschland angesichts der dringenden Aufforderungen des unabhängigen Expertinnen- und Experten-Ausschusses GRE-VIO zu einem Ausbau des Hilfesystems seinen Verpflichtungen aus der EU-rechtlichen Menschenrechtskon-vention nicht entziehen.

Die hinter verschlossenen Türen diskutierten Entwürfe deuten auf einen Rechtsanspruch, Bestands- und Be-darfsanalysen und qualitätsbasierte Angebote hin. Die niedrigschwellige Versorgung der Betroffenen mit Schutz und Beratung unabhängig von ihrem Einkommen, ihrer Herkunft, ihrem Wohnort oder eventuellen gesundheitlichen Beeinträchtigungen soll gesichert werden. Das Hilfesystem soll auskömmlich und einheitlich finanziert sein, ein Frauenhausaufenthalt darf für die Betroffenen nichts kosten. Spezifische Beratungsangebote sollen flächendeckend vorgehalten werden. Die Inanspruchnahme soll anonym erfolgen können.

Flickenteppich könnte der Vergangenheit angehören

Ein Gesetz zur Sicherung des Zugangs zu Schutz und Beratung könnte den Flickenteppich des derzeitigen, auf freiwilligen Leistungen der Länder und Kommunen basierenden Systems beseitigen. Der Bund kann sich aus verfassungsrechtlichen Gründen aber nur zum Teil finanziell beteiligen und darf nur begrenzt Vorgaben machen. Das Ziel einer flächendeckenden und vergleichbaren Versorgung hängt also weiterhin von der Umsetzung durch die Bundesländer ab. Hier hoffen wir, dass den bisher von dort vernommenen Signalen zu einer Begrüßung des Gesetzes auch Taten folgen.

Wir als Frauenhauskoordinierung fordern seit Jahren einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung, der sich nun hoffentlich auf der Zielgeraden befindet. Allerdings wird dieser erst noch Bestandsaufnahmen und Ausbauvorhaben vorlassen müssen. Weil sich die Bundesregierung bisher sehr viel Zeit gelassen hat, könnte das Vorhaben wegen des nahenden Endes der Legislatur gefährdet sein. Es bleibt noch offen, inwieweit die vom Bund versprochenen Mittel tatsächlich im unterfinanzierten Hilfesystem ankommen. Mit einem Start und der darauf fußenden verlässlichen Unterstützung gewaltbetroffener Frauen und ihrer Kinder ist erst 2030 zu rechnen, lange also nach Inkrafttreten der Istanbul-Konvention.



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