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Heil-Ministerium widerspricht FDP-Forderung nach Bürgergeld-Kürzung




Agentur für Arbeit in Frankfurt am Main
epd-bild/Tim Wegner
In der immer neu aufflammenden Sommerdebatte um das Bürgergeld hat die FDP nun gefordert, die Leistungen pauschal zu kürzen, weil sie zu stark erhöht worden seien. Das geht aber gar nicht, sagt das zuständige Ministerium.

Berlin (epd). In der Debatte um das Bürgergeld hat das Bundesarbeitsministerium klargestellt, dass Hilfeempfänger und -empfängerinnen vor einer Kürzung des Regelsatzes geschützt sind. Eine Sprecherin erklärte am 12. August in Berlin zu der jüngsten FDP-Forderung, das Bürgergeld zu senken, das sei weder kurzfristig möglich, noch dann, wenn die Regelsätze künftig fortgeschrieben werden.

Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Dürr, hatte in der „Bild“-Zeitung verlangt, das Bürgergeld „schnellstmöglich“ zu kürzen. Es falle derzeit um 14 bis 20 Euro pro Monat zu hoch aus, weil die Inflation inzwischen deutlich gesunken sei. Ein solcher Schritt würde die Steuerzahler um 850 Millionen Euro entlasten, erklärte Dürr.

Hinweis auf gesetzliche Besitzschutzregeln

Eine Sprecherin des SPD-geführten Arbeitsministeriums erklärte, selbst wenn sich bei der nächsten Berechnung der Regelsätze für 2025 Beträge ergäben, die unter den geltenden Sätzen liegen, würden die Regelsätze „durch eine gesetzliche Besitzschutzregelung auf dem aktuellen Niveau fortgeschrieben“. Im Rahmen der jährlichen, per Verordnung geregelten Fortschreibung gebe es keinen politischen Entscheidungsspielraum, sagte die Sprecherin. Angesichts der rückläufigen Preisentwicklung sei zu Beginn des kommenden Jahres mit einer Nullrunde beim Bürgergeld zu rechnen.

Bei der Berechnung der Regelsätze handele es sich um gesetzliche Festlegungen, „die überall einzusehen sind“, ergänzte sie. Dürr hatte darauf verwiesen, dass die Inflation gesunken ist und deshalb auch die Bürgergeld-Sätze angepasst werden und sinken müssten.

Bürgergeld wurde zweimal angehoben

Das Bürgergeld war wegen der starken Preissteigerungen nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine zweimal deutlich erhöht worden. Zuletzt erhielt ein alleinstehender Erwachsener Anfang 2024 zwölf Prozent oder 61 Euro pro Monat mehr. Der Regelsatz beträgt monatlich 563 Euro plus Miete und Heizung. Eheleute und Kinder erhalten geringere Beträge. Die Kinder-Regelsätze sind nach dem Alter gestaffelt und reichen von 357 bis 471 Euro pro Monat. Für die Berechnung spielt die Preisentwicklung die wichtigste Rolle.

Die CDU-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), Gitta Connemann, warf der FDP im Sender Welt TV „Wahlkampfmanöver“ vor. Nicht die Regelsätze seien das Problem, sondern die Zusatzregeln, etwa dass die Wohnkosten unbegrenzt übernommen würden. Die Oppositionspolitikerin hielt der FDP zudem vor, die Regeln mitbeschlossen zu haben.

Aus der SPD-Bundestagsfraktion erinnerte der sozialpolitische Sprecher Martin Rosemann FDP-Fraktionschef Dürr daran, dass die Regierungsfraktionen SPD, Grüne und FDP den Anpassungsmechanismus mit der schnelleren Berücksichtigung der Inflation in den Bürgergeld-Sätzen gemeinsam beschlossen haben: „Zu Recht“, wie Rosemann dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte: „Ich halte überhaupt nichts davon, ständig mit völlig unausgegorenen Ideen fern jeder Realität für Verunsicherung zu sorgen“, kritisierte der SPD-Sozialexperte den Koalitionspartner.

Paritätischer: „Kein Almosen“

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Joachim Rock, erklärte an die Adresse der FDP: „Das Bürgergeld ist kein Almosen, sondern verwirklicht Grundrechte.“ Bereits die angekündigte Nullrunde sei eine „massive Härte für die Leistungsberechtigten“. Rock kritisierte auch die fortdauernden Angriffe auf das Bürgergeld: „Offenbar wurde der Sommertrend Bürgergeld-Bashing ausgerufen.“

Besonders zynisch sei es, wenn Dürr trotz steigender Lebenshaltungskosten mit der zurückgehenden Inflation argumentierte, so Rock: „Das Bürgergeld wurde in der Vergangenheit durch methodische Tricksereien spürbar zu niedrig angesetzt. Anstatt immer wieder auf Kosten der Ärmsten zu sparen und Geringverdienende zusätzlich zu belasten, müssen die Reichsten entsprechend ihrer ungleich größeren Leistungsfähigkeit viel stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen.“ Die steuerliche Privilegierung großer Einkommen und Vermögen durch den Verzicht auf Vermögens- und angemessene Erbschaftssteuern müsse enden, forderte Rock.

Anlass der Debatten sind die Haushaltsnöte der Ampel-Koalition und die hohen Ausgaben für das Bürgergeld. Sie stiegen im Jahr 2023 gegenüber 2022 um knapp sechs Milliarden Euro auf knapp 54 Milliarden Euro. Jeweils drei Milliarden Euro gehen nach Angaben des Arbeitsministeriums auf die Finanzierung des Bürgergelds für ukrainische Kriegsflüchtlinge und die Erhöhung der Regelsätze zurück. Für dieses Jahr liegen noch keine Zahlen vor.

Bettina Markmeyer