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Interview

Städtebund: 7.500 Euro für Asylbewerber bei weitem nicht genug




Marc Elxnat
epd-bild/Farbtonwerk/Bernhardt Link
Marc Elxnat vom Städte- und Gemeindebund hält die Zusage des Bundes, 7.500 Euro jährlich pro untergebrachtem Asylbewerber zu erstatten, für zu niedrig. Die Diskussion über die Finanzierung der Aufnahme und Betreuung von Asylbewerbern werde weitergehen.

Berlin (epd). Das Ziel der Bundesländer, die Unterkunftskosten vollständig vom Bund übernehmen zu lassen, ist beim Migrationsgipfel am 6. November gescheitert. Was die neu vereinbarte Finanzierungszusage des Bundes für die Kommunen bedeutet, erläutert Marc Elxnat, Referatsleiter beim Deutschen Städte- und Gemeindebund. Die Fragen stellte Dirk Baas.

epd sozial: Herr Elxnat, nach langen Verhandlungen beim Flüchtlingsgipfel sieht das „atmende System“ künftig nun vor, 7.500 Euro pro untergebrachtem Asylbewerber zu zahlen. Vorher standen weit höhere Forderungen im Raum. Wie ist das zu bewerten?

Marc Elxnat: Der Beschluss sieht 7.500 Euro für neue Asylerstanträge ab 2024 vor. Das ist bei weitem nicht genug für die Ausgaben, die bei den Kommunen für Unterbringung und Integration anfallen. Es braucht zusätzlich wenigstens die vollstände Übernahme der Unterkunftskosten durch den Bund.

epd: Das Geld wird also nicht reichen?

Elxnat: Aus unserer Sicht ist absehbar, dass das Geld 2024 nicht reichen wird und wir im kommenden Jahr wieder die Diskussion über die Finanzierung der flüchtlingsinduzierten Mehrkosten führen werden.

epd: Die Debatte wird weitergehen, in der Hoffnung auf höhere Zahlungen?

Elxnat: Ja. Das zeigen auch die Äußerungen der Ministerpräsidenten im Nachgang der Ministerpräsidentenkonferenz. Wir brauchen hier eine dauerhaft tragfähige Lösung zur Finanzierung, etwa eine Gemeinschaftsaufgabe Migration im Grundgesetz. Damit könnte ein finanzielle Lastenteilung zwischen Bund und Ländern sowie auch mehr Planungssicherheit für die Kommunen erreicht werden. Hierfür braucht es eine breite Allianz von Regierung, Opposition und Bundesländern.

epd: Umstritten ist die Kürzung der Asylbewerberleistungen beziehungsweise die Verlängerung des Bezuges, bevor der Wechsel ins Bürgergeld möglich ist. Wie fällt da Ihre Bewertung aus?

Elxnat: Hier geht es darum, dass mögliche Pull-Faktoren ausgeschlossen werden. Daher sehen wir das als eine sinnvolle Maßnahme an. Gleichzeitig müssen die Möglichkeiten für Geflüchtete mit Bleibeperspektive zur schnellen Arbeitsaufnahme aus unserer Sicht verbessert werden, um gute Bedingungen für eine zügige Integration zu schaffen.

epd: Es sollen vermehrt Bezahlkarten eingeführt werden. Da hieß es seitens der Kommunen immer, auch das sei aufwändig für die Verwaltung. Warum sollen sie nun doch kommen?

Elxnat: Die Bezahlkarte kann, wenn sie gut umgesetzt wird, einen Beitrag zur Reduzierung des Verwaltungsaufwandes der Kommunen leisten. Dafür ist es wichtig, dass es eine bundeseinheitliche Lösung gibt, die flächendeckend, flexibel und mit möglichst geringen Aufwand genutzt werden kann.

epd: Was sind da die Bedingungen?

Elxnat: Dazu muss sichergestellt werden, dass die Bezahlkarte den Erwerb von allen Gütern des täglichen Bedarfs und eine freie Auswahl der Händler ermöglicht. Perspektivisch ist die Bezahlkarte aus unserer Sicht jedoch nur ein Zwischenschritt auf dem Weg hin zu einem digitalen Flüchtlingsausweis, der auch weitere Informationen zum Asylverfahren und zur Identität enthält. So könnte auch bei einem Wechsel des Aufenthaltsstatus die Bezahlfunktion der Karte anpasst werden.



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