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So will die Bundesregierung bei Flüchtlingen Geld sparen



Berlin (epd). Die Kommunen ächzten unter den Kosten für Flüchtlinge, die Länder drangen beim Bund auf Unterstützung - nach vielen Monaten mit Erfolg. In einer erneuten Nachtsitzung sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Ländern mehr Geld für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen zu. Zusätzlich will die Bundesregierung die Sozialleistungen für Flüchtlinge reduzieren. Damit soll zumindest ein Teil des Betrags, der Länder und Kommunen entlasten soll, bei den Betroffenen selbst eingespart werden.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Politik das Asylbewerberleistungsgesetz ändert, weil sie sich dadurch eine Wirkung auf das Migrationsgeschehen erhofft. Diesmal ist geplant, nicht die Höhe, sondern die Bezugsdauer dieses absoluten Existenzminimums zu ändern. Asylbewerber im laufenden Verfahren und Menschen mit einem Duldungsstatus, die also nicht als Flüchtlinge anerkannt wurden, gleichzeitig aber auch nicht abgeschoben werden können, sollen bis zu 36 Monate die abgesenkten Leistungen erhalten. Sie beziehen bislang nach 18 Monaten Bürgergeld. Ein „mittlerer dreistelliger Millionenbetrag“ solle dadurch pro Jahr eingespart werden, heißt es im Beschlusspapier des jüngsten Bund-Länder-Treffens.

Maximal 410 Euro pro Monat

Ist jemand als Flüchtling anerkannt, steht ihm Bürgergeld zu. Aber auch da wollen Bund und Länder kürzen. Bei einer Unterbringung in einer Einrichtung mit Gemeinschaftsverpflegung sollen die Leistungen nach dem auf dem Migrationsgipfel gefassten Beschluss reduziert werden. Damit würden „Doppelzahlungen etwa für Verpflegung und Strom vermieden“, hieß es.

Die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind geringer als im Bürgergeld: Derzeit erhalten alleinstehende oder alleinerziehende Asylbewerber 410 Euro pro Monat, bei Unterbringung in einer Sammelunterkunft 369 Euro, Kinder bis sechs Jahre 278 Euro pro Monat. Medizinische Hilfe gibt es nur im Notfall. Wechseln die Betroffenen, wie beschlossen, später in die Grundsicherung, „kommt es auch bei den Gesundheitsleistungen zu zusätzlichen Einsparungen der Länder und Kommunen im dreistelligen Millionenbereich“, heißt es im Bund-Länder-Beschluss. Insgesamt gaben die Länder 2022 nach Daten des Statistischen Bundesamts netto rund 6,2 Milliarden Euro für Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz aus.

„In verfassungsrechtlicher Hinsicht fraglich“, bewertet Pro Asyl die geplante Kürzung. Sie schließe Geflüchtete von Maßnahmen oder Leistungen aus, die für ihr Leben essenziell seien, kritisiert die Organisation.

„Evident unzureichend“

Tatsächlich hat das Bundesverfassungsgericht der Politik Vorgaben gemacht, die eine Grenze bei der Reduzierung der Sozialleistungen für Flüchtlinge setzt. Im Jahr 2012 entschied Karlsruhe, dass Leistungen nicht „evident unzureichend“ sein dürfen. Die Leistungen lagen damals bis zu 40 Prozent unterhalb der Grundsicherung, heute sind es nach Berechnungen des Mediendienstes Integration rund 18 Prozent weniger.

Zur Bezugsdauer sagte das Bundesverfassungsgericht damals nichts. Dennoch reduzierte der Gesetzgeber bei der Reform auch die maximale Bezugsdauer von damals 48 auf 15 Monate. Die große Koalition setzte die Bezugsdauer in der vergangenen Legislaturperiode auf die aktuellen 18 Monate herauf.

Das heißt aber nicht, dass automatisch bei jedem derzeit nach 18 Monaten Schluss mit den abgesenkten Leistungen ist. In den normalen Sozialleistungsbezug wechseln laut Asylbewerberleistungsgesetz nur diejenigen, die „die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben“.

Bereits heute beziehen viele Asylbewerber deutlich länger die abgesenkten Leistungen, wie Daten des Statistischen Bundesamts zeigen. Von den knapp 400.000 Empfängerinnen und Empfängern von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezogen rund 182.000 die Leistungen bereits seit mehr als zwei Jahren, fast 142.000 sogar seit drei Jahren.

Corinna Buschow


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