Osnabrück (epd). Die von Bund und Ländern beschlossenen Leistungskürzungen werden nach Ansicht des Osnabrücker Migrationsforschers Jochen Oltmer nicht dazu führen, dass weniger Asylbewerber nach Deutschland kommen. „Migration und Fluchtbewegungen sind viel komplizierter. Mit solchen Einzelmaßnahmen, die auf die Kürzung von Sozialleistungen zielen, kann man keinen echten Effekt erreichen“, sagte er am 7. November dem Evangelischen Pressedienst (epd).
In der Nacht hatten sich Bund und Länder in Berlin unter anderem darauf geeinigt, die Sozialleistungen für Flüchtlinge zu reduzieren. Asylbewerber im laufenden Verfahren, die bislang nach 18 Monaten Anspruch auf Bürgergeld haben, sollen künftig 36 Monate lang nur die niedrigeren Asylbewerberleistungen erhalten. Mit einer Bezahlkarte soll zudem die Verfügung über Bargeld eingeschränkt werden.
Oltmer wies darauf hin, dass das Asylbewerberleistungsgesetz 1993 schon mit dem Ziel beschlossen worden sei, die Attraktivität Deutschlands für Schutzsuchende möglichst niedrig zu halten. Eben deshalb seien die Leistungen dieses Gesetzes so knapp bemessen. „Das hat bislang nicht den gewünschten Effekt erzielt. Warum sollte das jetzt plötzlich funktionieren?“, fragte er.
Auch mit der Einschränkung des Familiennachzugs sei erfolglos versucht worden, Menschen von der Flucht nach Deutschland abzuhalten. „Die Politik verkennt die Hintergründe der Migrations- und Fluchtbewegungen. Sie verkennt, dass sich Menschen nicht einfach irgendwohin lenken lassen“, sagte Oltmer.
Andere Faktoren seien für die Entscheidung, warum Menschen nach Deutschland flüchten, viel entscheidender, sagte der Historiker am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück. Dazu gehörten etwa bestehende migrantische Netzwerke. Geflüchtete gingen also dorthin, wo sie schon Verwandte und Freunde hätten.
Auch dass Deutschland ein Rechtsstaat und eine stabile Demokratie mit funktionierender Wirtschaft sei und Asylverfahren nach rechtsstaatlichen Regeln durchführe, mache das Land attraktiv. „Daran ändert man aber nichts mit der Einführung einer Bezahlkarte. Und daran will ja auch niemand ernsthaft etwas ändern“, betonte Oltmer.