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Bund und Länder wollen Sozialleistungen für Flüchtlinge einschränken




Ein Asylbewerber aus Syrien in einer Erstaufnahmeeinrichtung (Archiv)
epd-bild/Detlef Heese
Der große Jubel bleibt nach dem Bund-Länder-Beschluss zur Flüchtlingspolitik aus. Die Länder begrüßen, dass der Bund mehr gibt als bislang, wirklich zufrieden sind sie aber nicht. Sozialverbände kritisieren die geplanten Leistungskürzungen scharf.

Berlin (epd). Nach monatelangem Streit hat der Bund den Ländern mehr Geld für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen versprochen. Zugleich will er bei den Leistungen für Asylbewerber und anerkannte Flüchtlinge sparen. Darauf einigte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer stundenlangen Beratung mit den Ministerpräsidenten in der Nacht zum 7. November in Berlin. Viele Länder und Kommunen machten danach deutlich, dass aus ihrer Sicht eine höhere Summe als zugesagt gebraucht werde. Sozialverbände kritisierten die geplanten Einschränkungen bei den Sozialleistungen deutlich.

„Ernüchterndes Ergebnis“

Scholz verabredete mit den Ländern, dass der Bund ab 2024 pro Schutzsuchendem künftig eine Pauschale von 7.500 Euro im Jahr zahlen wird. Der finanzielle Beitrag wird damit abhängig von der Zahl der Flüchtlinge. Das hatten die Länder zuvor gefordert, wollten allerdings einen höheren Betrag. Es gebe nun ein „atmendes System“, aber auf einer zu niedrigeren Basis, sagte etwa der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) in Berlin. Er sprach von einem „ernüchternden Ergebnis“. Kritik kam auch von den Kommunen. Der Betrag von 7.500 Euro berücksichtige die notwendigen Integrationsleistungen vor Ort nicht, sagte Städtetagspräsident Markus Lewe (CDU).

Die Ministerpräsidenten von CDU und CSU hatten vor dem Treffen mit Scholz für eine Verzögerung der länderinternen Beratungen gesorgt, weil sie erneut auf drastischere Maßnahmen zur Fluchtzuwanderung nach Deutschland drangen. Nur Teile der Forderungen fanden letztlich Eingang ins Papier. Entsprechend enttäuscht äußerten sich Unionspolitiker. Die „notwendige Asylwende“ sei dies nicht, sagte die stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Andrea Lindholz (CSU). Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) drang darauf, dass die beschlossenen Sozialleistungseinschränkungen für Flüchtlinge schnell als Gesetz umgesetzt werden. Dafür warb auch der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel.

Leistungen unter Sozialhilfeniveau

Geplant ist laut Bund-Länder-Beschluss, dass Asylbewerber im laufenden Verfahren, die bislang nach 18 Monaten Anspruch auf Bürgergeld haben, künftig doppelt so lange, nämlich 36 Monate, nur die niedrigeren Asylbewerberleistungen erhalten. Zudem sollen anerkannte Schutzberechtigte, darunter Flüchtlinge aus der Ukraine und Geduldete, nach Ablauf dieser Zeit künftig zur Verpflegung „nur diejenigen Leistungen erhalten, die sie wirklich benötigen“, wenn sie in Einrichtungen mit Gemeinschaftsverpflegung untergebracht sind. Der Bund rechnet durch diese Änderungen mit Einsparungen in Höhe von einer Milliarde Euro für Länder und Kommunen.

Bei Sozialverbänden und Flüchtlingsorganisationen stoßen diese Pläne auf heftige Kritik. Asylbewerbern erst nach drei Jahren eine Leistung wenigstens auf Sozialhilfeniveau zu gewähren, sei „inhuman und unvernünftig“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie sagte, es sei ein Trugschluss, dass niedrigere Leistungen oder Bezahlkarten Menschen davon abhalten, Schutz zu suchen. Pro Asyl bezeichnete die Pläne drastisch als „politischen Tritt nach unten“.

Begrüßt wurde von der Diakonie das im Beschluss festgehaltene Vorhaben der Bundesregierung, zu „Fragen der Steuerung der Migration und besseren Integration“ eine Kommission unter Einbeziehung gesellschaftlicher Gruppen einzurichten. Dieses „Erfolgsmodell“ habe schon 2015 funktioniert, sagte Lilie: „Nur im Zusammenschluss von Politik und Zivilgesellschaft werden wir überzeugende Lösungen finden können.“

Corinna Buschow


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