Berlin (epd). Den Einen gehen sie nicht weit genug, den Anderen zu weit: Die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz vom 10. Mai mit dem Ziel konsequenterer Abschiebung abgelehnter Asylbewerber sorgen für Kritik von verschiedenen Seiten. Während Sozialverbände und Flüchtlingsorganisationen die Ankündigungen teils harsch kritisierten, gab es auch bei den im Bund mitregierenden Grünen Skepsis. „Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz ersetzen keine Gesetzgebungsverfahren im Parlament“, sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Lamya Kaddor, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dort werde man sich die Punkte „genau anschauen“.
Die Kommunen äußerten sich enttäuscht über die Bund-Länder-Beschlüsse in der Flüchtlingspolitik. Der Präsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe (CDU), sagte: „Dieses Treffen war für uns unterm Strich eine ziemliche Enttäuschung.“ Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager (CDU), beklagte eine „Vertagung drängender Probleme“.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verständigte sich mit den Regierungschefinnen und -chefs auf eine Reihe von angestrebten Maßnahmen, die Asylverfahren beschleunigen, Migration stärker steuern und Rückführungen derjenigen, die kein Bleiberecht in Deutschland haben, besser möglich machen sollen. Vieles davon liegt nicht allein in der Hand Deutschlands. Die Punkte im Papier zielen auch auf die EU-Flüchtlingspolitik und die angestrebten Migrationsabkommen mit Herkunftsstaaten von Asylbewerbern, wofür es die Kooperation dieser Staaten braucht.
Für andere Maßnahmen ist der Bund - konkret der Bundestag - zuständig. So sollen laut Beschlusspapier Georgien und Moldau als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden, was schnellere Asylverfahren zur Folge haben soll, und Regelungen rund um die Abschiebung weiter verschärft werden. Der Ausreisegewahrsam - eine Form der Festsetzung unterhalb der Haft - soll nach dem Willen der Bund-Länder-Runde für 28 Tage angeordnet werden dürfen statt bislang für maximal zehn.
Kaddor sagte, es sei klar sei, „dass es nicht zu einem Revival einer Innenpolitik kommen kann, bei der zwar Rechtsstaatlichkeit ausgehöhlt, aber kein einziges der echten Probleme gelöst wird“. Es gehe um eine menschliche Flüchtlingspolitik, die auch unter schwierigen Bedingungen Verantwortung für globale Krisen übernehmen wolle.
Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, sagte dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“, er habe „überhaupt kein Verständnis dafür“, wenn die Not schutzsuchender Menschen zum Anlass genommen werde, „eine neue inhumane Abschiebe- und Abschottungspolitik sowie massive Verschärfungen in der Migrations- und Flüchtlingspolitik durchzusetzen“. Er forderte, die Bundesregierung müsse diesen Kurs korrigieren.
Der Flüchtlingsbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christian Stäblein, sagte im WDR-Radio, es sei falsch, den Fokus auf die Abschiebefrage und Abschiebezahlen zu fokussieren. „Wir sollten lieber gucken, wie können wir den Bedarf so beantworten und die Menschen, die kommen, so aufnehmen, dass sie dann auch eine wirkliche Perspektive hier oder in ihrem Heimatland haben.“
Der Union gehen die Ankündigungen dagegen nicht weit genug. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andrea Lindholz (CSU) forderte, auch Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz einzurichten, freiwillige Aufnahmeprogramme zu stoppen und auch Marokko, Tunesien und Algerien zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Es brauche eine „Kehrtwende“ hin zu einer spürbaren Begrenzung der „irregulären“ Migration, sagte sie.