Berlin (epd). Janosch Dahmen, Sprecher für Gesundheitspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, hält nicht viel davon, die Patienten selbst für die enormen Steigerungen der Einsatzzahlen im Rettungsdienst verantwortlich zu machen. „Man darf einem Menschen nicht absprechen, dass er anruft und einen Rettungswagen haben will, wenn er glaubt, dass er einen benötigt“, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Ein akutes medizinisches Problem, ein Gefühl von Hilflosigkeit und Not, das ist zunächst immer ein subjektives Erleben der betroffenen Menschen selbst.“
Erste Zahlen wiesen überdies darauf hin, dass es ein Mythos sei, dass Menschen heutzutage vermehrt wegen Bagatellen den Rettungsdienst riefen. „Diese gefühlte Wahrheit lässt sich mit Zahlen nicht erhärten“, erklärte Dahmen, „vielmehr sind die Einsatzzahlen aller Dringlichkeitsstufen gleichermaßen angestiegen.“
Eine Aufklärungskampagne mit dem Ziel, dass Menschen seltener die 112 anriefen, dürfte zudem unerwünschte Nebeneffekte haben, warnte der frühere Ärztliche Leiter Rettungsdienst in Berlin: „Man muss dann befürchten, dass dann vielleicht die ältere Dame mit dem wirklich ernsten medizinischen Problem keine Hilfe in Anspruch nimmt, weil sie Angst hat, anderen zur Last zu fallen, und andere Menschen durch eine Kampagne überhaupt erst auf die Idee kommen, die 112 anzurufen.“ Die Effekte von Kampagnen seien ohnehin in der Regel nur kurzzeitig und überschätzt.
Dahmen identifizierte den strukturellen Mangel in so gut wie allen Bereichen des Gesundheitswesens als eigentliche, grundlegende Ursache der der enormen Steigerung der Einsatzzahlen im Rettungsdienst in den vergangenen Jahren. Der Fachkräftemangel in Pflegeeinrichtungen etwa führe zu mehr Infektionen, der Hausärztemangel dazu, dass sich zunächst leichte medizinische Probleme verschlimmern.