Potsdam (epd). Wegen Mordes an vier schwerst behinderten Menschen im evangelischen Oberlinhaus und weiterer Straftaten hat das Landgericht Potsdam die 52-jährige Täterin zu 15 Jahren Haft verurteilt. Das Gericht ging in seinem Urteil am 22. Dezember aufgrund einer schweren Persönlichkeitsstörung der Frau von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit aus und verhängte die in diesem Fall mögliche Höchststrafe. Zugleich ordnete das Gericht die Unterbringung der früheren langjährigen Pflegekraft in der Psychiatrie an. Damit muss die Frau nun zunächst weiter in einem psychiatrischen Krankenhaus bleiben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (AZ: 21 Ks 6/21)
Die Gewalttaten in einer Potsdamer Wohneinrichtung für behinderte Menschen am 28. April hatten bundesweit Entsetzen ausgelöst. Eine Frau überlebte den Amoklauf schwer verletzt. Die zwei Frauen und zwei Männer, die den Angriff nicht überlebten, waren zwischen 31 und 56 Jahren alt. Das Landgericht verurteilte die Täterin wegen Mordes, versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen. Die Höchststrafe zu verhängen, sei „angesichts des großen Schuldgehaltes“ erforderlich, sagte der Vorsitzende Richter Theodor Horstkötter in der mehr als anderthalbstündigen Urteilsbegründung.
Mit der diagnostizierten schweren emotionalen Persönlichkeitsstörung der Täterin vom Borderline-Typus gehe eine erhebliche Beeinträchtigung der Impulskontrolle und der Fähigkeit zur Steuerung vor allem von negativen Gefühlen einher, sagte Horstkötter. Diese Persönlichkeitsstörung habe sich in der Jugend entwickelt. Am Tattag habe sich eine bereits „latent vorhandene große Wut“ Bahn gebrochen, Gewalt- und Tötungsfantasien, die sie schon lange beschäftigten, seien in tatsächliche Gewalt umgeschlagen.
Ines R. sei „Pflegerin mit Leib und Seele“ gewesen, habe sich lange liebevoll und mit Hingabe um andere gekümmert und auch mehrere Schicksalsschläge im privaten Bereich verkraften müssen, sagte Horstkötter. Ihre schwere psychische Krankheit, die Ursache der Gewalttaten sei, habe sie hinter einer Fassade verborgen gehalten, vor allem am Arbeitsplatz. Medikamente hätten zumindest phasenweise für eine gewisse Stabilität gesorgt. Sie habe unter großen Belastungen gestanden und sei in den Tagen vor den Gewalttaten physisch und psychisch am Ende gewesen. Die Taten seien dennoch „für alle Außenstehenden nicht voraussehbar“ und für die Kollegen nicht vorstellbar gewesen.
Das Oberlinhaus erklärte, für das Diakonie-Unternehmen blieben „die Tat und das grenzenlose Leid, das damit über die Opfer und ihre Angehörigen gebracht wurde, unermesslich“. Kein Urteil könne das Verbrechen und den Verlust auch nur ansatzweise abbilden.
Mit dem Strafmaß folgte das Gericht weitgehend den Anträgen der Staatsanwaltschaft, die eine Unterbringung in der Psychiatrie und für die einzelnen Straftaten Haftstrafen von jeweils acht bis zwölf Jahren gefordert hatte, die zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren zusammengefasst werden sollten. Solche Gesamtstrafen sind im deutschen Recht üblich. Auch der Verteidiger hatte eine Unterbringung seiner Mandantin in der Psychiatrie beantragt.