Düsseldorf, Bad Oeynhausen (epd). Um Gewalt in Wohneinrichtungen für behinderte Menschen zu verhindern, sollen Betreuungsangebote regionalisiert und ein landesweites Beratungsnetzwerk eingerichtet werden. Die von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) beauftragte Expertenkommission übergab nun den am 17. Dezember veröffentlichten Abschlussbericht. Die Reformvorschläge sollen nun im Düsseldorfer Landtag, von Betroffenen und Interessensverbänden beraten werden, kündigte Laumann an. Anlass waren Vorfälle in den Einrichtungen der Diakonischen Stiftung Wittekindshof in Bad Oeynhausen.
Behinderte Menschen mit ausgeprägtem auto- und fremdaggressiven Verhalten dürften nicht länger in größeren Wohngruppen untergebracht werden, heißt es in dem Abschlussbericht. Stattdessen wird der Aufbau von „kleinteiligen regionalen Betreuungsangeboten auch mit intensiv unterstützten individuellen Wohnformen“ mit qualifizierten Fachkonzepten zum Wohnen mit intensivem Unterstützungsbedarf und zur Reduzierung freiheitseinschränkender Maßnahmen vorgeschlagen.
Der Bericht empfiehlt zudem, die fachliche Qualifizierung der Behörden in diesem Bereich zu verbessern sowie Schutzregelungen, gesetzliche Prüfgrundlagen und die Meldepflicht zu erweitern. Vorgeschlagen wird auch die Einrichtung einer unabhängigen, landeszentralen Monitoring- und Beschwerdestelle „zur Gewaltprävention, Beobachtung und Berichterstattung und der Entgegennahme von Beschwerden im Zusammenhang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen“.
Auch regt der Bericht den Aufbau eines flächendeckenden Beratungsnetzes an. Dieses soll die Menschen mit Behinderungen, ihre Angehörigen und die Einrichtungen der Eingliederungshilfe beraten und unterstützen.
Auftrag der von Laumann eingesetzten Expertenkommission war es nach eigenen Angaben, systematische Risiken zu erkennen, Vorschläge für Gewaltschutz und für die fachliche Weiterentwicklung von Betreuungsstrukturen zu entwickeln. Im Mittelpunkt standen demnach erwachsene Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung und extrem herausfordernden Verhalten. Die Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen sei nicht selten Ausdruck von Hilflosigkeit der Beteiligten, heißt es in dem Bericht. Die Kommission bestand aus Vertretungen der Richterschaft, Wissenschaft und Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen.
Laumann erklärte, der Bericht solle nun intensiv diskutiert werden. Dazu werde es Gespräche im Landtag, mit den Verbänden der Leistungsträger und Leistungserbringer und vor allem mit den betroffenen Menschen selbst, ihren Angehörigen und Interessenverbänden geben. Eine Reihe von Vorschlägen der Kommission zur Verbesserung der Aufsicht sei bereits in dem von der schwarz-gelben Landesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Wohn- und Teilhabegesetzes sowie des Ausführungsgesetzes zum Neunten Buch Sozialgesetzbuch eingeflossen.
Wegen der Vorfälle in der diakonischen Stiftung Wittekindshof hatte die Staatsanwaltschaft Bielefeld Anfang des Jahres Ermittlungen gegen 145 Beschuldigte eingeleitet - darunter auch gegen den ehemaligen Leiter eines Geschäftsbereichs. Ihnen wird Freiheitsberaubung und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Bei den freiheitsentziehenden Zwangsmaßnahmen soll es sich unter anderem um Gruppen- oder Zimmerverschluss sowie ein Fixieren von behinderten Menschen gehandelt haben, ohne dass ein richterlicher Beschluss vorgelegen haben soll.
Die diakonische Stiftung hatte nach Bekanntwerden der Vorwürfe unter anderem mit Umstrukturierungen und schärferen Kontrollen reagiert. Der Geschäftsbereich, in dem Menschen mit herausfordernden Verhalten betreut wurden, wurde nach Angaben der Stiftung aufgelöst. Alle Mitarbeitenden in diesen Bereichen würden speziell geschult. Für die Belange von Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf sei ein zusätzlicher Fachdienst zuständig, der unter anderem die Einhaltung fachlicher Standards kontrolliere. Stufenreaktionspläne sollen in Krisen für Deeskalation sorgen.