Düsseldorf, Hamburg (epd). Viele Seniorinnen und Senioren nehmen nach Einschätzung der Krankenkasse AOK Rheinland/Hamburg zu viele verschiedene oder ungeeignete Medikamente. Laut dem am 28. April veröffentlichten AOK-Gesundheitsreport 2022 erhalten vier von zehn Versicherten ab 65 Jahren fünf oder mehr Medikamente im Quartal verschrieben. Rezeptfrei zusätzlich gekaufte Arzneien oder Nahrungsergänzungsmittel seien dabei noch nicht berücksichtigt.
Krankenhausaufenthalte verstärken den Angaben zufolge das Problem. Zwei Drittel (66,6 Prozent) der über 65-Jährigen, die zuvor nur wenige oder keine Medikamente genommen hatten, bekamen im ersten Quartal nach einem Klinikaufenthalt fünf oder mehr Arzneimittel verordnet.
„Polypharmazie“
Diese „Polypharmazie“ berge die Gefahr, dass sich verschiedene Wirkstoffe gegenseitig beeinflussen und zu Problemen führen können, warnte Frauke Repschläger, Pharmazeutin bei der AOK Rheinland/Hamburg. „Unerwünschte Wechselwirkungen von Arzneimitteln stellen ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar, das nicht selten zu schweren Krankheitsverläufen führt.“ Eine Analyse der Versichertendaten zeige, dass 4,5 Prozent der über 65-Jährigen eine potenziell schädliche Arzneimittelkombination verordnet bekamen.
Doch auch einzelne Medikamente können für ältere Patientinnen und Patienten bereits gefährlich werden, hieß es weiter. Bestimmte Antidepressiva und Schlafmittel könnten etwa das Sturzrisiko erhöhen. Andere Arzneimittel könnten Verwirrung auslösen oder Schlafstörungen zur Folge haben. Laut Gesundheitsreport bekam jeder fünfte Versicherte ab 65 Jahren mindestens einmal im Jahr ein Medikament verordnet, das auf der Priscus-Liste der für ältere Menschen potenziell ungeeigneten Wirkstoffe verzeichnet ist.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz appellierte an ältere Patientinnen und Patienten, bei der Einnahme mehrerer Medikamente mögliche Wechselwirkungen in der Arztpraxis oder der Apotheke überprüfen zu lassen. Der „Medikations-Check“ sei eine von den Kassen finanzierte ärztliche Leistung, auf die Versicherte Anspruch hätten, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Dortmund. Auch Apotheken böten diesen Service an. Nach vorheriger Absprache übernähmen die Krankenkassen dafür meist ebenfalls die Kosten. „Wir brauchen eine Trendwende hin zu weniger Polypharmazie“, betonte Brysch.