Essen (epd). In der Essener Fußgängerzone lauert die Angst. Zwischen Herrenbekleidungsgeschäft und Parfümerie, in rund ein Meter hohen orangefarbenen Holzbuchstaben. Die meisten Passantinnen und Passanten laufen vorbei und werfen nur einen kurzen Blick auf die Installation, die Teil des kirchlichen Rahmenprogramms zum RTL-Live-Event „Die Passion“ am 13. April auf dem Essener Burgplatz ist. „Der Begriff Mut hätte vielleicht mehr Menschen angesprochen“, sinniert Lydia Schneider, ehrenamtliche evangelische Seelsorgerin, die als Ansprechpartnerin für Gespräche bereitsteht.

Die „Liebe“ kommt auf jeden Fall besser an. Insbesondere jüngere Leute bleiben vor den pinkfarbenen Buchstaben neben dem Springbrunnen hinter dem Handelshof stehen - vor allem, um schnell ein Foto mit dem Smartphone zu machen. Zwei ältere Frauen lassen sich von Gregor Lauenburger, Schulseelsorger am katholischen Mariengymnasium, erklären, was hier eigentlich los ist, und kündigen an, sich „Die Passion“ dann später zuhause im Fernsehen anzuschauen.

Passanten haben Gesprächsbedarf

Ein paar Meter weiter bei „Jesus“ - in blau - bleiben häufiger Menschen stehen. Einige haben auch Gesprächsbedarf, wie Nicolaus Klimek, Referent für Glaubenskommunikation beim Bistum Essen, berichtet. An der evangelischen Marktkirche am unteren Ende der Kettwiger Straße schließlich prangt in grün der Begriff „Kreuz“. Auf den Buchstaben haben Besucherinnen und Besucher mit Filzstiften bereits eigene Gedanken wie „Im Kreuz ist Hoffnung“ hinterlassen.

Elvira Neumann, Gemeindereferentin aus Gelsenkirchen, die als Seelsorgerin zu Gesprächen bereitsteht, findet die ökumenische Aktion sehr gut. „Niederschwelliger geht's doch gar nicht“, sagt sie. Viele Menschen seien stehen geblieben, ohne sich genötigt zu fühlen. Das sei „ein Zeichen, dass die Menschen sich mit zentralen christlichen Themen auseinandersetzen“.

Neben Dom und Anbetungskirche, neben den Absperrungen und etwas versteckt hinter den brummenden riesigen Stromaggregaten des Musikspektakels ist der Street-Art-Künstler Mika Springwald bei der Arbeit. Direkt unterhalb der Kreuzigungsgruppe entsteht ein „moderner Kreuzweg“, wie er sagt. In dem gesprayten Graffiti greift er dabei auch die Farben und Begriffe der Aktion in der Fußgängerzone auf.

Während Menschen weiter mit Einkaufstaschen durch die Fußgängerzone schlendern, wird die Schlange am Einlass zur RTL-Show am Burgplatz immer länger. Das Angebot der Kirchen, sich vor Beginn der Veranstaltung im Dom oder in der Marktkirche auf das Ereignis einzustimmen oder dort mit Seelsorgern zu sprechen, nimmt indes kaum jemand wahr.

Zum Abschluss in die Kirche und in den Dom

Anders sieht es nach dem Ende des Live-Events aus. Die letzten Songs schallen noch über den Platz, während zahlreiche Schaulustige versuchen, über die weiß bespannten Absperrzäune einen Blick auf das Geschehen zu erhaschen. Einige Jugendliche spekulieren auf Autogramme der Stars. Nachdem das Spektakel um kurz nach halb elf mit dem Abendsegen von Marktkirchenpfarrer Jan Vicari und der katholischen Theologin Theresa Kohlmeyer endet, öffnen sich die Ausgänge und die Zuschauerinnen und Zuschauer strömen heraus.

Einige finden den Weg in die Marktkirche und vor allem in den Dom, in dem ein weißes Lichtkreuz eine Verknüpfung zu dem Musical herstellt. Viele sitzen einfach nur ein paar Minuten still in der Kirchenbank oder zünden eine Kerze bei der Goldenen Madonna an. „Sie kommen, beten und schweigen“, sagt Jesuitenpater Lutz Müller. Der Seelsorger ist schon seit dem Nachmittag im Einsatz und steht auch hier noch bis Mitternacht zum Gespräch bereit für die Menschen, die nach der Musikshow noch ein wenig die Stille genießen möchten.