Potsdam (epd). Die Gedenkstätte im früheren Potsdamer Gefängnis in der Lindenstraße macht die NS-Zwangsarbeit zum Thema. Die Sonderausstellung „Disziplinieren durch Strafen“ dokumentiere die Ausbeutung ausländischer Arbeitskräfte im damaligen Arbeitsamtsbezirk Potsdam und ihre Bestrafung bei Vergehen, sagte Kurator Johannes Leicht bei der Präsentation des Jahresprogramms der Gedenkstätte am 15. Februar in Potsdam. Die Ausstellung soll von September 2024 bis Mai 2025 gezeigt werden und das in Weimar geplante Museum zur Zwangsarbeit im Nationalsozialismus durch einen regionalen Blick ergänzen.

Leicht sagte, Zwangsarbeit sei in der NS-Zeit in Potsdam überall sichtbar gewesen. Im gesamten Stadtgebiet habe es mehr als 70 Zwangsarbeiterlager gegeben, teils mit mehr als 1.000 Menschen wie im Fall der Arado-Werke oder bei dem Unternehmen Orenstein & Koppel. „Ganz Europa findet sich Potsdam“, sagte Leicht. Insgesamt seien im damaligen Reichsgebiet zwischen 1939 und 1945 rund 8,4 Millionen Zwangsarbeiter ausgebeutet worden, die zuvor teils angeworben, teils verschleppt worden seien. In Potsdam sei 1944, vor 80 Jahren, mit mehr als 18.000 Betroffenen eine Höchstzahl verzeichnet worden.

Der Kurator sagte, bei Konflikten mit dem NS-Staat, Gesetzen oder Vorschriften seien oft harte Strafen verhängt worden, auch um andere abzuschrecken. Das Gefängnis in der Potsdamer Lindenstraße habe dabei eine wichtige Rolle gespielt. Dort seien während des Zweiten Weltkriegs in diesem Zusammenhang rund 300 Frauen und Männer aus mehr als 20 Ländern Europas inhaftiert gewesen. In der Ausstellung solle anhand von Biografien inhaftierter Zwangsarbeiter auch die Rolle der regionalen NS-Justiz dargestellt werden. Für die Betroffenen sei die Haft in Potsdam oft zum „Eingangstor“ in die Mühlen des NS-Regimes geworden, sagte Leicht: „Viele überlebten das nicht.“

In einer Plakatausstellung der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur solle zudem bereits im Frühjahr das demokratische Engagement in Ostdeutschland gegen die Errichtung einer Diktatur nach 1945 thematisiert werden, hieß es. Die Gedenkstätte kündigte zugleich an, ihr Angebot inklusiver Führungen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen zu erweitern. Neben Tastführungen und Führungen in Leichter Sprache sei nun auch ein Angebot für gehörlose Menschen geplant. Dazu werde aktuell ein Gedenkstättenguide in deutscher Gebärdensprache entwickelt.

Gedenkstättenleiterin Maria Schultz sagte, mit fast 20.000 Besucherinnen und Besuchern sei im vergangenen Jahr ein Rekord verzeichnet worden. Bildungsangebote würden ständig weiterentwickelt, um den Interessen gerecht zu werden.

Die Gedenkstätte ist in einem ehemaligen Gerichts- und Gefängnisgebäude in der Potsdamer Innenstadt untergebracht, das in der NS-Zeit Sitz eines „Erbgesundheitsgerichts“ und Gerichtsgefängnis für politisch und „rassisch“ Verfolgte des NS-Regimes war. Von 1945 bis 1952 war der Gebäudekomplex ein Gefängnis des sowjetischen Geheimdienstes. Danach war dort bis 1989 das Stasi-Untersuchungsgefängnis für den DDR-Bezirk Potsdam untergebracht. 1990 wurde daraus ein „Haus der Demokratie“. Seit 1995 ist das Gebäude eine Gedenkstätte.