Potsdam (epd). Seit 2017 wird in Potsdam der neue Garnisonkirchturm gebaut. Die Pfarrstelle am Ort war nach dem Ruhestand von Cornelia Radeke-Engst Ende Oktober 2021 lange nicht besetzt. Nun übernimmt der bisherige Geschäftsführer des Berliner Doms, Jan Kingreen, die Aufgabe zum 1. März. Er wolle dort auch außen- und sicherheitspolitische Themen in den Blick nehmen, sagte der Theologe dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Potsdam.

epd: Die Pfarrstelle für den neuen Garnisonkirchturm war lange ausgeschrieben. Was hat Sie bewogen, die Stelle zu übernehmen?

Jan Kingreen: Mich reizt an der Stelle das große Potenzial, das sie bietet: Hier wird nicht nur ein Lernort, sondern auch eine Citykirche ganz neu aufgebaut. Es gibt nur wenige feste, unverrückbare Strukturen. Man kann hier kirchliche Arbeit angepasst an die Bedürfnisse und Themen der Gegenwart denken und gestalten.

epd: Was haben Sie dort vor, welche Schwerpunkte wollen Sie setzen?

Kingreen: Der Kirchturm als Teil der Garnisonkirche zählt wohl zu den Gebäuden in Deutschland, die sich eindrücklich in die Erinnerungskultur eingeprägt haben. Daraus erwächst für mich der Auftrag, einen Ort des Friedens zu etablieren. Hier sollen kritisch Geschichte erinnert und Gegenwart reflektiert werden. Aktuell sehe ich neben der Friedens- und Versöhnungsarbeit vor allem außen- und sicherheitspolitische Themen an diesem Ort. Zu diesem Profil werden Schwerpunkt-Gottesdienste gehören. Ebenso wichtig werden Debatten und Gespräche sein, die die Meinungsvielfalt der Gesellschaft abbilden. Am 1. März geht es los mit einem Vortrag zu Theodor Heuss und seinem Blick auf das Jahr 1933. Am 20. März sprechen Bischof Stäblein und Stephan Harbarth, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, über eine wehrhafte Demokratie, am 29. April werden Ellen Ueberschär und ich darüber diskutieren, ob die evangelische Friedensethik angesichts des Krieges in Europa am Ende ist.

epd: Werden Sie versuchen, mit den Kritikern des Wiederaufbaus ins Gespräch zu kommen? Was für Chancen sehen Sie da?

Kingreen: Ich bin fest davon überzeugt, dass es gelingen kann, diejenigen aller Seiten, die sich differenziert und gesprächsbereit zeigen, an einen Tisch zu bringen. Letztlich soll hier ja ein gehaltvoller Konsens gefunden werden. Dieser muss mit Ruhe und Empathie ausgehandelt werden, wie das in liberal-aufgeklärten Demokratien üblich ist. Es kann nicht sein, dass die lautesten Schreihälse auf allen Seiten sich mit Maximalforderungen durchsetzen. Ich denke, dass gerade dem Pfarramt hier eine ausgewogene, brückenbauende Funktion zukommt.

epd: Sie übernehmen auch die Berufsschularbeit der Jugendbildungsstätte Haus Kreisau in Berlin. Werden Sie beide Aufgaben miteinander verbinden?

Kingreen: Beide Aufgaben sind eng aufeinander bezogen. Das Haus Kreisau ist eine renommierte Einrichtung im Feld der Berufsschulbildung. Gerade jüngere Erwachsene an die historischen und gegenwärtigen Themen heranzuführen, ist für mich essenziell wichtig. Insofern freue ich mich auf den Brückenschlag zwischen zwei Lernorten. Und Lernen heißt ja gerade auch über sich selbst mehr zu erfahren, was eine der Kernaufgaben der Theologie ist.