Heidelberg (epd). Auch mit fast 85 Jahren ist er immer noch unterwegs in Sachen Kunst und Politik. „Nichts ist erledigt“, schreibt der Satiriker Klaus Staeck auf seiner Homepage. Seit Ende der 60er Jahre hat er sich mit Plakaten zu Themen wie Umwelt, Frieden und Atomenergie in das kollektive politische Bildgedächtnis der Bundesrepublik eingebrannt. Am 28. Februar wird der Rechtsanwalt und Grafiker 85 Jahre alt.

Das Dilemma seiner Arbeit sei, dass sie nicht veralte, sagte der Polit-Grafiker dem Evangelischen Pressedienst (epd) : „Manche meiner Plakate sind heute aktueller als zu ihrer Entstehungszeit.“ Das bestätigt auch die jüngste seiner mehr als 1.000 Ausstellungen mit dem Titel „Satire vor Gericht“, die derzeit im Justizzentrum Heidelberg zu sehen ist.

Gezeigt wird beispielsweise ein Bild der Erde vom Weltall betrachtet, mit den Worten: „Die Mietsache ist schonend zu behandeln und in gutem Zustand zurückzugeben.“ Bei der Vernissage ermahnte Staeck das Publikum: „Wenn wir beim Umweltthema versagen, wird es ernst.“

Angesichts des Ukraine-Kriegs stimmt auch ein Plakat von 1981 nachdenklich. Damals legte er sich mit dem Rüstungskonzern Rheinmetall an. Auf dem Plakat waren fünf Konzernvertreter abgebildet, mit dem Satz „Alle reden vom Frieden. Wir nicht.“ Dieses Motiv hatte gleich sechs Prozesse ausgelöst, die Staeck alle gewann.

Demokratie lebe von der Meinungsfreiheit, betont Staeck: „Ich bin ein Verfechter der wehrhaften Demokratie.“ Der Bürger habe die Verpflichtung, sich einzumischen. „Wenn es sonst niemand tut, mache ich es.“ Dabei wende sich Satire immer gegen die Starken und nie gegen Schwache, sagt er. Die Menschenwürde dürfe sie nicht verletzen.

Der Heidelberger Kunsthistoriker Henry Keazor würdigt Staecks Verdienste für die „Demokratisierung der Kunst“. Statt in Museen oder Galerien habe dieser seine Werke schon in den 70er Jahren an Litfaßsäulen und Plakatwänden gezeigt und die Straße zur Galerie gemacht.

Eines seiner ersten Werke plakatierte Staeck 1971 in Nürnberg. Die Wohnungsnot thematisierte er mit einer Zeichnung des Malers Albrecht Dürer (1471-1528). Darauf ist Dürers greise Mutter mit Kopftuch zu sehen, dazu die Textzeile „Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?“

Der groß gewachsene Künstler mit den weißblonden Haaren versteht sich nicht als Karikaturist oder Designer, sondern als Satiriker. Regelmäßig schreibt er auch Kolumnen für die „Frankfurter Rundschau“.

Die Zeiten, in denen aufgebrachte Politiker von CSU und CDU seine Plakate von den Wänden rissen, sind allerdings längst vorbei. Zu seinen bekanntesten Motiven gehört ein vermeintliches Wahlkampf-Plakat von 1972: „Die Reichen müssen noch reicher werden. Deshalb CDU“. Dagegen reichte die Partei Klage ein, wegen Verletzung des Namensrechtes.

Nicht nur in diesem Fall konnte der Künstler, der 1968 beim Landgericht Heidelberg als Rechtsanwalt zugelassen wurde, seine juristischen Kenntnisse gut gebrauchen: Mehr als 40-mal sollte eines seiner kritisch-satirischen Plakate verboten werden - jedoch „immer ohne Erfolg“, wie Staeck erzählt.

Bei den Rechtsverfahren sei es um das Spannungsfeld der satirischen Äußerung zwischen Kunst- und Meinungsfreiheit sowie dem Persönlichkeitsrecht der Betroffenen gegangen, erläutert die Juristin Franziska Brinkmann in ihrer Dissertation über die Plakate aus juristischer und kunstwissenschaftlicher Sicht.

Wer Staecks kleinen Eckladen in der Heidelberger Altstadt besucht, sieht stapelweise Postkarten, Plakate und Aufkleber: „Demokratiebedarf“, wie er es nennt. In seiner „Edition Staeck“ verlegt er nicht nur die eigenen Arbeiten, sondern auch Werke anderer Künstler wie Joseph Beuys (1921-1986).

Zwischen 2006 und 2015 war er Präsident der Akademie der Künste in Berlin und ist seitdem ihr Ehrenpräsident. Der vielfach ausgezeichnete Staeck, der 1960 in die SPD eingetreten ist, kam 1938 im sächsischen Pulsnitz zur Welt. Er wuchs in einem böhmisch-protestantischen Haus in der Industriestadt Bitterfeld auf. Unmittelbar nach dem Abitur übersiedelte er 1956 aus der DDR in den Westen und studierte in Heidelberg Jura.

„Ich bin ein zorniger, fröhlicher Christenmensch - streitbar, aber solidarisch“, sagt Staeck über sich selbst. Deshalb werde er weder aus der SPD noch aus der Kirche austreten.