Die Geschäftsführerin der Hilfsorganisation "HateAid", Anna-Lena von Hodenberg, beobachtet einen Zusammenhang zwischen Hassnachrichten online und offline. "Die Stimmung wird online gemacht", sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Und dann gibt es wiederum Hater, die offline Päckchen schicken." Oftmals gingen Bedrohungen online los und würden dann von denselben oder anderen Tätern fortgesetzt in Form von Drohpaketen oder -briefen. "HateAid" mit Sitz in Berlin unterstützt Menschen, die Opfer von Gewalt im Internet geworden sind mit Beratungen und finanziellen Hilfen.

Hintergrund ist ein Tweet des SPD-Bundestagsabgeordneten Karl Lauterbach, in dem er am Dienstag über ein an ihn adressiertes Drohpaket berichtete. Auf einem Bild sind ein Plastikröhrchen mit der Aufschrift: "2019-nCoV: positiv" und ein Zettel "trink das, dann wirst du immun" zu sehen. Darunter twitterte der Gesundheitsexperte: "Morddrohungen bis zu Beleidigungen aller Art, einige von uns müssen viel hinnehmen. Daher sollte jeder mit Restbestand von Charakter die Hetze im Netz gegen Virologen, Epidemiologen oder Politiker einstellen. Es animiert Leute, die unberechenbar sind."

Kurz danach retweetete der Chef-Virologe der Charité, Christian Drosten, das Foto und kommentierte: "Das selbe Paket habe ich heute auch bekommen." Beide, Lauterbach und Drosten, setzen sich während der Corona-Pandemie für vergleichsweise strenge Infektionsschutzmaßnahmen ein, um das Virus einzudämmen. Drosten hatte Anfang April nach eigenen Angaben bereits darüber nachgedacht, sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen aufgrund von Hassmails.

Zunahme seit Mitte März

Hodenberg sagte, es sei kein Zufall, dass Hass online wie offline Personen wie Lauterbach und Drosten treffe: "Der Hass richtet sich gegen die, die vermeintlich Verantwortung tragen für die Beschränkungen." Am Anfang der Corona-Pandemie sei die Hetze im Netz erst einmal zurückgegangen, es sei vergleichsweise ruhig geworden. Seit Mitte März nehme die Online-Bedrohung kontinuierlich zu, erklärte sie.

Die massive Hetze richte sich vor allem gegen Behörden, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie asiatisch aussehende Menschen und Migranten, die sich vermeintlich nicht an die Corona-Regeln hielten, erklärte Hodenberg: "Wir beobachten eine starke Aggressivität, gerade von rechtsextremen oder verschwörungstheoretischen Kreisen." Auch das Bundeskriminalamt berichtete am 27. Mai bei der Vorstellung der Statistik der politisch motivierten Kriminalität 2019 von Drohungen gegen Politiker und Wissenschaftler im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.

Hodenberg sagte, besonders in Krisenzeiten nehme die digitale Gewalt zu. "Wenn die Leute aufgeladen sind, weil es eine große Unsicherheit gibt, wie es weiter geht", erklärte sie.