Der Medienwissenschaftler Otfried Jarren kritisiert die Corona-Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Deutschland. "Die Chefredaktionen haben abgedankt", schreibt Jarren in einem Gastbeitrag für den Fachdienst epd medien. "Die für Talksendungen und Unterhaltung zuständigen Personen haben eine einfache Programmplanung: Corona." Die Inszenierung von Bedrohung und exekutiver Macht dominiere. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen lasse seit Wochen die immer gleichen Experten und Politiker auftreten und präsentiere diese als Krisenmanager.

Jarren bemängelt, es fehlten "alle Unterscheidungen, die zu treffen und nach den zu fragen wäre: Wer hat welche Expertise? Wer tritt in welcher Rolle auf? Was soll in welchem Format wem vermittelt werden?" Der TV-Journalismus betreibe fast täglich das gleiche Spiel. Nach den Nachrichtensendungen werde nach dem immer gleichen Schema weitergesendet: "Statements, aber keine Debatte zwischen Expertinnen und Experten. Und politische Statements kommen dazu."

"Eigenexperten unter sich"

Dabei kämen immer die gleichen Rollenträger vor, vielfach aus der gleichen Institution, schreibt der Wissenschaftler. Durch Bezug auf die immer gleichen Experten werde munter "Systemjournalismus" betrieben: "Exekutive, Experten und Journalistenkollegen als Eigenexperten unter sich." Der NDR falle hier durch eine "besondere Form der Hofberichterstattung" auf.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei keine "kritische Infrastruktur", mahnt Jarren. "Wäre er es, würde er von staatlicher Seite eingehegt und bewacht werden müssen." Der öffentliche Rundfunk sei eine unabhängige gesellschaftliche Institution. "Unabhängigkeit und Kompetenz sind entscheidende Faktoren, wenn er nach diesen turbulenten Phasen als relevant erachtet werden möchte", schreibt der Medienwissenschaftler.

Jarren war bis Ende 2018 Professor am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich und ist Präsident der Eidgenössischen Medienkommission (EMEK) in der Schweiz.