Frankfurt a.M. (epd). Die meisten Firmen in Bangladesch zahlten Näherinnen nur den Mindestlohn von 53 Euro monatlich, von dem niemand leben könne, sagte Sabine Ferenschild vom Südwind-Institut am 9. April in Frankfurt. Auch bei Gebäudesicherheit und Brandschutz gehe es nur langsam voran: "Es ist längst nicht alles getan", sagte Ferenschild bei einer Podiumsdiskussion der "Frankfurter Rundschau".
Auch der viel kritisierte größte deutsche Textildiscounter KiK gab Missstände zu. KiK-Manager Ansgar Lohmann räumte ein, "dass der Mindestlohn sicherlich angehoben werden kann". Allerdings handle keine Handelsfirma den Lohn von Näherinnen in Zulieferbetrieben aus. "Wir brauchen starke Gewerkschaften", sagte Lohmann, der bei KiK den Bereich soziale Unternehmensverantwortung (Corporate Social Responsibility) leitet.
"Freiwilligkeit ausgereizt"
Aus Sicht der Südwind-Expertin geht die freiwillige Verpflichtung von Unternehmen auf bessere Arbeitsbedingungen nur sehr langsam voran. "Die Freiwilligkeit ist ausgereizt", sagte Ferenschild und plädierte für verbindliche Auflagen für Unternehmen, auf nationaler und internationaler Ebene. Sogar KiK-Manager Lohmann bekräftigte: "Auch wir wollen verbindliche Regelungen." Sie müssten für alle Firmen gelten, sonst werde der Wettbewerb verzerrt. Im deutschen Textilbündnis, das bessere Arbeitsbedingungen in der Lieferkette erreichen will, wirke zum Beispiel kein einziger Online-Händler mit. Verbindliche soziale Standards müssten auf die Tagesordnung des Textilbündnisses, sagte Lohmann: "Wir suchen dafür Mitstreiter." Das sei kein Lippenbekenntnis.
Auf Forderungen an KiK, doch schon jetzt gewerkschaftsfreundliche und besser zahlende Zulieferer zu bevorzugen, reagierte der Manager zurückhaltend. Die Margen des Discounters seien extrem knapp bemessen, um günstige Bekleidung bieten zu können, sagte er. Das stark wachsende Unternehmen mit Sitz im nordrhein-westfälischen Bönen machte 2016 rund zwei Milliarden Euro Umsatz und beschäftigt 25.000 Menschen, davon rund 19.000 in Deutschland. Gewinnzahlen veröffentlicht die Firma, die keinen Betriebsrat hat, ebenso wenig wie die Namen ihrer Zulieferer.
Mehr als 1.100 Tote
Beim Einsturz des Rana-Plaza-Hochhauses in Bangladesch am 24. April 2013 waren mehr als 1.100 Beschäftigte von Textilfirmen getötet worden. Mehr als 2.400 wurden verletzt. Die Produktion war trotz bekannter Baumängel fortgesetzt worden. In Reaktion auf die Katastrophe rief Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) ein Jahr später das Textilbündnis ins Leben, an dem Unternehmen, Gewerkschaften und Entwicklungsorganisationen mitwirken. Ziel sind freiwillige Selbstverpflichtungen auf soziale Standards. Derzeit sind dort Modefirmen Mitglieder mit insgesamt etwa 50 Prozent Marktanteil.