Die nordrhein-westfälische Integrationsstaatssekretärin Serap Güler (CDU) hat den Vorstoß der Landesregierung für ein Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahren verteidigt. Bei dem erwogenen Verbot gehe es weder um Religion noch um Integration, sagte Güler am 11. April im ZDF-"Morgenmagazin": "Es geht um die freie Entfaltung des Kindes." Wenn ein Mädchen so früh ein Kopftuch trage, müsse darüber debattiert werden, "inwieweit wir auch in manchen Fällen sogar die freie Entwicklung des Kindes vor den Eltern schützen müssen".

"Das Kopftuch sollte man auch nach islamischen Brauch erst mit Anfang der Pubertät tragen", sagte die CDU-Politikerin weiter. Nach islamischen Verständnis trage eine Frau ein Kopftuch, um ihre Reize vor Männern zu verhüllen. Wenn Kinder Kopftücher trügen, sexualisiere sie das. Sie habe häufiger von Eltern gehört, dass Mädchen schon früh Kopftuch tragen sollten, damit sie es später nicht mehr hinterfragen. "Ich möchte aber, dass Kinder das hinterfragen", sagte die Integrationsstaatssekretärin. Wenn eine junge Frau sich später für das Kopftuch entscheide, sei das ihr gutes Recht.

"Vater beeinflusst Mädchen subtil"

Ähnlich äußerte sich der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide. Kaum ein muslimisches Mädchen unter 14 Jahren trage aus eigener Motivation ein Kopftuch, sagte der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie der Universität Münster dem Evangelischen Pressedienst (epd). "In den meisten Fällen beeinflusst der Vater das Mädchen subtil dazu, Kopftuch zu tragen." Ein gesetzliches Verbot könne eine große Hilfe für die Mädchen sei, die sich nur schwer gegen ihre Väter durchsetzen könnten.

Die NRW-Landesregierung prüft ein Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahren. Zuvor war in Österreich ein solches Verbot für Kitas und Grundschulen angekündigt worden. Juristen und Integrationsexperten in Deutschland zweifeln an der Rechtmäßigkeit eines Verbotes. Lehrer reagierten uneinheitlich. Der Philologenverband und der Deutsche Lehrerverband begrüßten den Vorstoß, der Grundschulverband und die Gesamtschulleiter in NRW dagegen lehnten ihn ab.

"Abgegrenzte Felder"

Kritisch sieht auch der Berliner Integrationsbeauftragte Andreas Germershausen ein Kopftuchverbot für Minderjährige. Das löse keine Probleme, sagte Germershausen dem epd. Er beobachte seit langem, dass Kopftuchverbote den Übergang muslimischer Frauen in das alltägliche soziale Leben erschwerten: "Es nötigt Frauen, die ein Kopftuch tragen, in abgegrenzte Felder, in denen das Kopftuch üblich ist."

Der Integrationsforscher Haci Halil Uslucan warnte unterdessen davor, die Rolle der Religion bei der Integration zu überschätzen. Repräsentative Umfragen hätten ergeben, dass die Zugehörigkeit zur deutschen Gesellschaft vor allem am festen Arbeitsplatz und an der Staatsangehörigkeit bemessen werde, sagte der Leiter des Essener Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung dem epd. Religiosität oder kulturelle Herkunft seien nachrangig. Im Bildungsbereich zeige sich deutlich, dass die ökonomische Lage der Eltern entscheidender für Erfolge in Schule und Beruf sei als die Religion.