Das Kopftuch als Teil der Bekleidung muslimischer Frauen sorgt in Deutschland immer wieder für öffentliche Debatten. Muslimische Befürworter sehen im Kopftuch ein Zeichen von Schutz, Sittsamkeit oder auch Selbstbestimmung, Gegner interpretieren es als Symbol der Rückständigkeit oder der Unterordnung der Frau.

Im Nahen Osten war der Schleier schon vor der koranischen Offenbarung im 7. Jahrhundert verbreitet. Bereits biblische Quellen verbinden ihn mit religiösen Themen: Auch im Alten Testament erscheint der Schleier als Symbol für die Ehrfurcht vor Gott. Schleier waren bei arabischen Frauen zur Zeit Mohammeds üblich, wurden jedoch erst vom 9. Jahrhundert an zur Pflicht. Bis heute halten die meisten islamischen Rechtsgelehrten daran fest, dass geschlechtsreife Musliminnen ihren Kopf außerhalb des Hauses und in Gegenwart fremder Männer zu bedecken haben. Die Form des Schleiers reicht vom Kopftuch bis zum Ganzkörperschleier.

Keine genauen Vorschriften

Der Koran enthält keine genauen Vorschriften zur Verschleierung. Mehrere Textpassagen lassen sich jedoch in diese Richtung interpretieren. So heißt es beispielsweise, gläubige Frauen sollten darauf achten, dass ihre Scham bedeckt sei und dass sie ihre Schleier über den Schlitz ihres Kleides ziehen mögen (Sure 24, Vers 31). An anderer Stelle ist davon die Rede, dass das Herunterziehen ihres Gewandes Frauen gewährleiste, dass sie unerkannt blieben und nicht belästigt würden (Sure 33, Vers 59).

Vor allem eine Textstelle in den Hadithen, die Aussprüche und Handlungen des Propheten Mohammed überliefern, wurde für die Argumentation für die Verschleierung im Alltag herangezogen. Sie berichtet davon, dass Mohammed eine Bekannte darauf hinweist, dass es für Frauen mit Erreichen der Menstruation unpassend sei, bestimmte zu Körperteile zeigen. Der Überlieferung zufolge zeigte der Prophet dabei auf Gesicht und Handflächen.

Über Jahrhunderte hinweg wurde von islamischen Rechtsgelehrten festgelegt, dass mit der Beginn der Geschlechtsreife bestimmte Körperteile zu verhüllen seien. Kontroverse Debatten über die Notwendigkeit der Verschleierung kamen innerhalb der islamischen Gesellschaften im 19. Jahrhundert auf. Von nun an zweifelten muslimische Gelehrte die Rechtmäßigkeit des Gebots der Kopfbedeckung immer wieder an.

Politisierung

Im 20. Jahrhundert wurde das Kopftuch zum Gegenstand der Politisierung. Mustafa Kemal Atatürk, der die Türkei nach westlichem Vorbild modernisieren wollte, verbot das Kopftuch in öffentlichen Institutionen. Im Nachbarland Iran erließ Schah Reza Pahlavi ein generelles Verbot der Verschleierung. Als Ayatollah Khomeini dort später die islamische Revolution ausrief, besiegelte er nicht nur das Ende des Verbots, sondern machte die Verschleierung zur Pflicht. Auch in anderen islamischen Staaten gibt es teils strenge Kleidervorschriften.

Doch auch in westlichen Staaten beschäftigt das Kopftuch immer wieder die Behörden - vor allem, wenn es um den Staatsdienst geht. In Deutschland entschied das Bundesverfassungsgericht 2015, dass ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen an öffentlichen Schulen nicht mit der Verfassung vereinbar ist. Seither haben die Bundesländer hierzu unterschiedliche Regelungen entwickelt.

Empirische Daten zeigen, dass das Kopftuch auch bei Musliminnen in Deutschland kein beliebiges Kleidungsstück ist, sondern Frage einer grundsätzlichen Entscheidung. Als 2008 im Auftrag der Deutschen Islamkonferenz 1.092 Musliminnen in Deutschland zu diesem Thema befragt wurden, gab mit 70 Prozent die große Mehrheit von ihnen an, nie ein Kopftuch zu tragen. 23 Prozent erklärten hingegen, immer eines zu tragen. Hierfür sind religiöse Gründe ausschlaggebend: Neun von zehn kopftuchtragenden Befragten nannten religiöse Pflichten als Begründung.