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Corona

Impffortschritte befreien Heimbewohner nicht




Corona-Impfungen im Pflegezentrum Eichenau in Bayern
epd-bild/Klaus Honigschnabel
Sie sind nahezu durchgeimpft, doch noch immer weitgehend isoliert: die Bewohnerinnen und Bewohner in Pflegeheimen. Das müsse sich ändern, fordern Experten. Doch die Politik braucht noch Zeit für neue Regelungen.

Sozial- und Pflegeverbänden geht es nicht schnell genug, die bestehenden Kontaktbeschränkungen in Seniorenheimen zu beenden. "Die fortwährende Schlechterstellung der Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner muss aufhören", sagt der Vorsitzende des BIVA-Pflegeschutzbundes, Manfred Stegger, mit Blick auf die schon hohen Impfquoten. "Deshalb fordern wir, dass Bewohnerzimmer in Pflegeheimen im Hinblick auf Besuche mit Privathaushalten gleichgestellt werden." Ähnlich äußern sich auch die Stiftung Patientenschutz und der Verband katholischer Altenhilfe in Deutschland (VKAD). Die Caritas sieht das anders.

Stegger kritisiert, dass Lockerungen für Geimpfte nicht mal Thema bei der jüngsten Corona-Runde von Bund und Ländern am Montag gewesen seien. Doch das soll sich nun ändern. Die Bundesregierung berät in der nächsten Woche im Kabinett über eine Verordnung zur Aufhebung der Grundrechtseinschränkungen für Corona-Geimpfte. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Dienstag in Berlin, dass das Innenministerium und das Justizministerium dazu einen Entwurf vorlegen würden.

Weitere Lockerungen in Vorbereitung

Doch auch dann wird noch einige Zeit vergehen, bis die Lockerungen greifen. Denn nach dem Kabinettsbeschluss müssen Bundestag und Bundesrat noch über die Verordnung entscheiden. So sieht es das Infektionsschutzgesetz vor. Der Bundestag kommt das nächste Mal Mitte Mai zu einer Sitzungswoche zusammen, der Bundesrat könnte frühestens am 7. Mai entscheiden.

VKAD-Geschäftsführer Andreas Wedeking sagt auf Anfrage, die Seniorenheime würden auf dem Weg aus der Pandemie "zu wenig mitgedacht". Dabei seien die Bewohnerinnen und Bewohner inzwischen mehrheitlich vollständig geimpft. Es müsse rasch eine bundeseinheitliche Lösung für Lockerungskonzepte in den Einrichtungen geben. "Dass Bundesländer jeweils eigene Wege festlegen, hilft in der Sache nicht weiter", sagt Wedeking.

Auch Eggert betont, dass die Bewohner von Heimen zwar inzwischen weitgehend durchgeimpft seien. Sie litten aber immer noch unter deutlich strengeren Besuchsbeschränkungen als sie für Menschen in Privathaushalten gelten. "Während diese auch noch bei einem Inzidenzwert von über 100 jederzeit Besuch von einer Person empfangen dürfen, ist ein Besuch im Pflegeheim mancherorts auch bei niedriger Inzidenz auf eine Stunde begrenzt." Es müsse deshalb bald einen Fahrplan für Lockerungen geben, "damit alle Menschen - geimpfte und nicht geimpfte - eine Perspektive bekommen".

Mehr interne Kontakte ermöglichen

Wedeking spricht sich dafür aus, wenigstens Lockerungen innerhalb der Senioreneinrichtungen zu genehmigen. "Es geht dabei noch nicht um große Änderungen der eingeschränkten Besuchsregelungen", sagt er. Man müsse besonders die Tagespflegen in den Blick zu nehmen. Sie seien oft die einzige Möglichkeit für soziale Kontaktpflege und überaus wichtig zur Entlastung pflegender Angehöriger. "Es wäre gut, wenn Politik hier gemeinsam mit den Vertretern der Praxis nach Lösungen suchen würde."

Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland, zeigt Verständnis für die lauter werdenden Forderungen, Kontaktbeschränkungen in Heimen zurückzufahren. Die pflegebedürftigen Menschen dort hätten über Monate viel mehr soziale Einschränkungen erleben müssen als andere. "Wir finden es wichtig, Besuche zu ermöglichen und soziale Aktivitäten in und außerhalb der Einrichtungen zu unterstützen", sagt Loheide. Dabei dürfe der Schutz von nicht geimpften und anderen vulnerablen Personengruppen jedoch nicht zu kurz kommen. Grundsätzlich sollten aber wie bei anderen geimpften Personen Schutzmaßnahmen nur so lange gelten, bis ein sicherer Schutz für alle Menschen gewährleistet ist: "Ist dies der Fall, müssen weitere Öffnungen möglich sein."

"Hohe Impfquoten bringen nichts"

Derzeit aber gilt für Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung Patientenschutz: "Für Pflegeheimbewohner bringen höchste Impfquoten nichts." Der jüngste Bund-Länder-Gipfel sei für 900.000 Pflegebedürftigte ein Fiasko gewesen, sagt er dem epd. "Nun bleiben nur noch Gerichte, um die Menschen aus der Trostlosigkeit zu holen."

Die Caritas in der Diözese Münster verweist dagegen darauf, dass Besuche in Heimen im Rahmen der jeweils geltenden Schutzkonzepte immer möglich gewesen seien. Nach der Impfung aller Bewohner gebe es seit vier Wochen im Rahmen der NRW-Landesverordnungen weitere Lockerungen. "Die haben wir ohne Zögern umgesetzt", bestätigt Rainer Schmidt-Dierkes, der die Heilig-Geist-Stiftung in Dülmen leitet. Orientieren müssten sich die 205 Altenheime der Caritas in der Diözese Münster an den Verordnungen des Landes. Die lassen derzeit bis zu fünf Besucher gleichzeitig zu.

Dirk Baas