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Corona

Pflicht zu Schnelltests: Klage nur über hohe Kosten




Corona-Schnelltests sind jetzt in allen Unternehmen vorgeschrieben.
epd-bild/Heike Lyding
Impfen und Testen sind die zentralen Säulen im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Unternehmen müssen allen Beschäftigten zwei Schnelltests pro Woche ermöglichen. Auch in der Sozialbranche. Die sieht sich gut gerüstet, stöhnt aber über neue Kosten.

Die großen Sozialverbände und ihre Mitglieder halten die neue Corona-Testpflicht in allen Unternehmen für den richtigen Weg im Wettlauf mit der Pandemie. Bedenken gibt es lediglich bei der Frage der Finanzierung der massenhaften Schnelltests für über fünf Millionen Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialwesen. Denn wie zu hören ist, fehlt den Sozialunternehmen fast immer das Geld für solche Sonderkosten. Doch unabhängig davon sind viele der Sozialträger beim Testen ihrer Mitarbeitenden meist schon weiter als der Rest der Wirtschaft - auch, weil sie aus der stationären Altenpflege schon einen Wissens- und Praxisvorsprung haben.

"Wir halten die Testung aller Mitarbeitenden für einen wesentlichen Baustein der Pandemiebekämpfung", sagt Roelf Bleeker, Referatsleiter der Graf Recke Stiftung in Düsseldorf. Das Unternehmen zählt 2.700 Mitarbeitende und ist in der Kinder- und Jugendhilfe, der Behindertenarbeit und in der Pflege aktiv. "Weil wir bei der Beschaffung und Organisation der Tests bereits gut aufgestellt sind, ist die neu eingeführte Testpflicht für uns gut zu organisieren."

Nicht erst auf den Gesetzgeber gewartet

Man habe ohnehin schnell reagiert und nicht erst gewartet, bis der Gesetzgeber tätig wurde. Allen Mitarbeitenden würden bereits Schnelltests angeboten - unterschiedlich oft entsprechend der Kontakthäufigkeit. "Die Mitarbeitenden unserer Dienstleistungstochter DiFS GmbH, die in unseren Häusern arbeiten, etwa als Reinigungskräfte, werden schon täglich vor Dienstbeginn getestet, allen anderen werden mindestens wöchentliche Testungen angeboten."

Der Träger macht für seine Arbeitsgebiete unterschiedliche Vorgaben, doch getestet wird überall: In der Sozialpsychiatrie und Heilpädagogik werden alle Mitarbeitenden und Klientinnen und Klienten zwei Mal in der Woche getestet, ebenso die Bewohner sowie Mitarbeitenden in der Jugendhilfe und auch Kinder und Beschäftigte in den Kindertageseinrichtungen.

Ähnlich verhält es sich beim diakonischen Träger diakoneo im bayerischen Neuendettelsau, der mit über 10.000 Beschäftigten zu den größten Trägern in Deutschland zählt. "Wir haben frühzeitig damit begonnen, Mitarbeitenden freiwillige Tests in regelmäßigem Rhythmus möglich zu machen", etwa auch durch Laientests, berichtet Pressesprecher Markus Wagner: "Und wir bemerken bereits jetzt, wie angespannt der Markt für die Laientests ist und rechnen mit steigenden Preisen und längeren Lieferzeiten." Bei Beschaffungskosten von fünf bis sechs Euro je Kit kommen rasch stattliche Beträge zusammen. Die Kosten belaufen sich derzeit allein für die Zentralen Dienste von Diakoneo auf fünfstellige Summen pro Monat, für die Diakoneo meist "in Vorleistung gehen muss".

Früh übergreifende Teststrategie erarbeitet

Im Bildungsbereich habe man frühzeitig eine übergreifende Teststrategie für Schulen und Kindereinrichtungen entwickelt und umgesetzt. "Dafür sind Mitarbeitende in der Anwendung geschult, Tests beschafft und angeboten worden", so Wagner. Inzwischen griffen staatliche Vorgaben für die freiwilligen Tests, die auch von den Behörden zur Verfügung gestellt würden.

"Uns ist sehr bewusst, dass wir eine nicht zuletzt ethisch-moralische Verantwortung für die Gesundheit unserer Mitarbeiter haben. Daher haben wir schon vor Wochen Testmöglichkeit geschaffen - und zwar nicht nur in der Zentralen, sondern dezentral", heißt es bei der Evangelischen Gesellschaft (eva) in Stuttgart. "Wir testen seit mehreren Wochen dort, wo es gewünscht wird, und über die Bereiche hinaus, in denen Testpflicht besteht, so auch die Klienten und Klientinnen sowie Gäste", berichtet Vorstandsvorsitzender Klaus Käppling: "Uns geht es auch dabei um den Schutz aller."

Deshalb testet das Unternehmen mit rund 150 Diensten, Beratungsstellen, Wohngruppen und Heimen und 1.300 hauptamtlichen Mitarbeitenden auch und gerade in den Arbeitsfeldern, in denen es bisher noch keine Testpflicht gibt. "Wir haben uns dafür ganz bewusst entschieden, auch wenn es zum Beispiel für Tests von Mitarbeiterin aus der Kinder- und Jugendhilfe zumindest aktuell keine Erstattung der Kosten gibt", sagte Käppling dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Lange Zeit auf Freiwilligkeit gesetzt

Lange hat es gedauert, bis die Testpflicht in den Firmen kam. Sie ist geregelt in der Sars-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung und gilt zunächst bis zum 30. Juni gilt. Demnach sind zwei Tests je Mitarbeiter Vorschrift, sofern nicht ausnahmslos im Homeoffice gearbeitet wird. Eine Pflicht für die Belegschaft, sich testen zu lassen, gibt es jedoch nicht.

Für den Paritätischen Wohlfahrtsverband ist das ein klares Manko: "Die Beschäftigten müssen dieses Angebot nicht annehmen und müssen sich bei der Durchführung des Tests auch nicht beaufsichtigten lassen im Hinblick auf korrekte Durchführung. Das ist im Grunde die Achillesferse der neuen Regelung", sagte auf Anfrage Werner Hesse, der Geschäftsführer des Verbandes. Die arbeitsrechtlichen Konsequenzen einer "Testverweigerung" seien unklar, es fehle ein "stringentes Konzept", so Hesse.

"Die meisten Geschäftsstellen, Einrichtungen und Dienste haben praktikable Lösungen beim Testen gefunden und auch da, wie bei allen anderen Corona-Anforderungen bisher, zeigen sie maximales Engagement, Flexibilität und Erfindungsgeist", heißt es beim Deutschen Caritasverband: "Vieles spricht für den Betrieb als operativen Ort für die Organisation der Tests." Aber: "Es gibt noch einige Unsicherheit, sowohl was die Durchführung als auch die Finanzierung angeht."

Kooperationen mit Testzentren und Apotheken

Vor Ort gebe es viele pragmatischen Lösungen: So werde mit externen Dienstleistern zusammengearbeitet, etwa Apotheken in der Nachbarschaft oder Testzentren in der Nähe. Teilweise werden den Mitarbeitenden aber auch Selbsttests angeboten. Die Arbeiterwohlfahrt berichtet von gespendeten Testkits.

"Fast alle Arbeitsfelder und Einrichtungen beschäftigen sich im Moment mit der Umsetzung", sagte Vorstand Maria Loheide dem epd. Die Regelungen und Finanzierungen seien jedoch nach Arbeitsfeldern und Regelungen in den Ländern unterschiedlich. "Dabei geht es nicht mehr um die Altenhilfe, sondern um die Kitas, Schulen, Wohnungslosenhilfe, Erziehungshilfe, Flüchtlingsarbeit, Beratungsstellen, Bahnhofsmission." Auch wenn in bestimmten Arbeitsfeldern, etwa in Kitas oder Schulen, die Kosten vom Staat getragen würden, verbleibe bei den Trägern auf jeden Fall einiges an Aufwand.

Die finanzielle Belastung sieht auch die Caritas kritisch. Im gemeinnützigen Bereich das Geld für die regelmäßige Tests aufzubringen, sei schwierig, "weil wir keine Gewinne machen dürfen und für die Refinanzierung auf die Kostenträger angewiesen sind". Und Rolf Bleeker sekundiert: "Hier muss es bald zu einer Regelung kommen, damit die Einrichtungen nicht auf den Mehrkosten sitzen bleiben."

Die Arbeiterwohlfahrt beklagt bei der Testpflicht unterschiedliche beziehungsweise fehlende Regelungen für die Bereich der Jugendhilfe. "Aus Sicht der Träger und der Jugendämter wären landesweit einheitliche Regelungen und Finanzierungen sinnvoll, weil ansonsten die jeweiligen kommunalen Jugendämter mit jedem einzelnen Leistungserbringer zusätzliche Vereinbarungen abschließen müsste", heißt es auf Anfrage. Bislang gebe es nur vereinzelt die Möglichkeit, dass erhöhte Kosten, die pandemiebedingt bei Personal- und Sachkosten anfallen, durch die örtlichen Jugendämter übernommen werden.

"Testpflicht ist überflüssig"

Michael Kreutzfelder, Vorstandssprecher der Caritas Oberhausen, hält das verpflichtende Testangebot für überflüssig: "Das ist für die Sozialbranche aus meiner Sicht nicht notwendig, denn viele Bereiche sind bereits durchgeimpft. Bei uns beträgt die Impfquote bereits über 60 Prozent." Dennoch werde auch in Oberhausen schon regelmäßig getestet. Aber, so kritisiert er: "Die zusätzlichen Kostenbelastungen verpflichtend auf eh schon belastete Betriebe abzuwälzen halte ich für falsch." Viele Sozialunternehmen hätten durch Corona wirtschaftlich deutlich eingebüßt, auch durch staatliche Regulierungsmaßnahmen, die nicht in ausreichender Höhe refinanziert worden seien. Da kämen nun noch die Pflicht-Tests obendrauf.

Zudem hält Kreuzfelder das Vorgehen der Politik für nicht schlüssig: So seien die Bürgertest durchweg kostenlos und die in den Einrichtungen würden vom Staat bezahlt. "Die Kosten für die Beschäftigtentests gehen jedoch voll zulasten des Arbeitgebers."

Dennoch betont auch der Chef der Caritas in Oberhausen, dass die Schnelltests gut angenommen werden: "Unsere Erfahrungen zeigen, dass sowohl Nutzer unserer Angebote als auch die Mitarbeiter sich dadurch mindest etwas sicherer fühlen."

Dirk Baas