Berlin (epd). Damit es in der Altenpflege einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag geben kann, müssen die kirchlichen Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie zustimmen. Die Caritas hat sich jedoch am 25. Februar dagegen entschieden. Von der Diakonie wurde ein Beschluss am 26. Februar erwartet. Abgestimmt wird in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen (ARK) der Verbände, die jeweils zur Hälfte mit Vertretern der Arbeitgeberseite und der Arbeitnehmerseite besetzt sind. Bei den Kirchen und ihren Verbänden heißen sie Dienstgeber und Dienstnehmer.
Die Kommissionen stimmen nicht über den Tarifvertrag selbst ab, auf den sich die DGB-Gewerkschaft ver.di und die 2019 gegründete Bundesvereinigung Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) am 1. Februar dieses Jahres verständigt haben. Sie stimmen nur darüber ab, ob der Tarifvertrag durch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für die Altenpflege für allgemeinverbindlich erklärt werden und damit den bisherigen Branchenmindestlohn ersetzen soll.
Dass beide kirchlichen Verbände dem Verfahren zustimmen müssen, hat damit zu tun, dass sie mit insgesamt rund 300.000 Beschäftigten die größten Arbeitgeber in der Branche sind und dass sie bei der Tariffindung eigene Wege gehen. Die Kirchen und ihre Sozialverbände Caritas und Diakonie verhandeln die Löhne für die Beschäftigten autonom in ihren Arbeitsrechtlichen Kommissionen.
Angesichts der Personalnot setzen sich die Spitzen von Caritas und Diakonie für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen in der Pflege ein und fordern von der Politik, die Finanzierung zu klären. Am 22. Februar hatte sich der Sprecher der Arbeitgeberseite bei der Caritas, Norbert Altmann, gleichwohl gegen eine Zustimmung zu einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung ausgesprochen und der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gesagt, er plädiere dafür, die Mindestbedingungen für Arbeitskräfte in der Pflege weiterhin über die Pflege-Mindestlohnkommission zu regeln, die bisher die Lohnuntergrenzen festlegt.
Dass die im Tarifvertrag von ver.di und dem BVAP ausgehandelten Mindestentgelte höher sind, ist nicht der Knackpunkt für die kirchlichen Arbeitgeber. Denn mit ihren eigenen Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) - die Tarifverträgen in etwa entsprechen, ein Streikrecht aber ausschließen - liegen Caritas und Diakonie über diesem Tarifvertrag. Einem Teil der Dienstgeber geht es vielmehr darum, dass der autonome Weg der Kirchen bei der Lohnfindung nicht infrage gestellt wird. Denn auch Caritas und Diakonie müssten den Tarifvertrag anwenden, wenn in einer ihrer Einrichtungen geringere Löhne gezahlt würden.
Der Tarifvertrag zwischen ver.di und dem BVAP soll am 1. August in Kraft treten. Er sieht vor, die Mindeststundenentgelte für alle Pflegekräfte in der Altenpflege in vier Schritten zu erhöhen und die Schlechterstellung der Beschäftigten in Ostdeutschland zu beenden. Die Stundenlöhne der Pflegehelferinnen und -helfer wären mit 12,40 Euro höher als der dann geltende Mindestlohn von 11,80 Euro (West). Im Osten ist die Differenz etwas größer. Die Mindeststundenentgelte für examinierte Pflegekräfte lägen ab August bei 16,10 Euro und damit ebenfalls über dem von Juli an bundesweit geltenden Mindestlohn für Fachkräfte von 15 Euro pro Stunde. Der Tarifvertrag sieht außerdem den Anspruch auf mindestens 28 Urlaubstage pro Jahr und ein zusätzliches Urlaubsgeld von mindestens 500 Euro vor.
Die BVAP ist ein Zusammenschluss von Pflegeanbietern und Wohlfahrtsverbänden. Das Bündnis wurde unter anderen vom Arbeiter-Samariter-Bund, der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und der Volkssolidarität gegründet. Die privaten Pflege-Arbeitgeber wollen gegen den Tarifvertrag klagen. Der Arbeitgeberverband Pflege will gerichtlich die Tarifunfähigkeit von ver.di in der Altenpflege feststellen lassen, weil nur ein sehr kleiner Teil der Pflegekräfte ver.di-Mitglieder sind. Hätte er Erfolg, wäre der Tarifvertrag nichtig.