Freiburg, Paderborn (epd). Ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag für bessere Löhne in der Pflege ist weiter nicht in Sicht. Der Deutsche Caritasverband hat dem geplanten Verfahren am 25. Februar seine Zustimmung verweigert, wie die Arbeitgeber- und die Mitarbeiterseite in der Arbeitsrechtlichen Kommission (ARK) des Verbandes mitteilten. Die Zustimmung beider kirchlichen Sozialverbände, Caritas und Diakonie, ist die Voraussetzung zu dem Verfahren. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der auf Antrag den Tarifvertrag auf die gesamte Branche erstrecken wollte, sprach von einer bitteren Nachricht für die Pflegekräfte.
Heil sagte in Berlin, er könne die Kirchen nicht auf den Weg des Tarifvertrags zwingen, "aber ich bin enttäuscht, dass man diese historische Chance nicht genutzt hat." Er verlangte, die Finanzierung aus der Pflegeversicherung von Tarifbindung abhängig zu machen und forderte die Diakonie auf, "zumindest ein positives Signal zu setzen für einen neuen Anlauf". Die Verhandlungen würden dann von vorn beginnen, so Heil. Er wolle sich mit einem Scheitern nicht abfinden.
Die Kommission der Caritas hatte darüber abzustimmen, ob ein zwischen der DGB-Gewerkschaft ver.di und der Bundesvereinigung Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) geschlossener Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt werden soll. Er hätte den bisherigen Branchenmindestlohn ersetzt.
Der Sprecher der Arbeitgeberseite in der Kommission, Norbert Altmann, erklärte, die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit sei nicht erreicht worden. Man wisse um die Bedeutung der Entscheidung und habe sie sich nicht leicht gemacht. Die ARK der Caritas ist paritätisch mit je 31 Vertretern der Dienstgeber- und der Mitarbeiterseite besetzt, die Abstimmung erfolgte geheim.
Die Mitarbeiterseite warf der Arbeitgeberseite vor, den Ruf und die Glaubwürdigkeit der Caritas zu beschädigen. Ihr Sprecher, Thomas Rühl, erklärte: "Ein allgemeinverbindlicher Tarif Altenpflege hätte für Tausende zumeist bei privaten Anbietern beschäftigte Menschen ein Ende von Dumpinglöhnen bedeutet". Das sei nun ausgerechnet an den Dienstgebern der Caritas gescheitert.
Caritas-Präsident Peter Neher betonte die Unabhängigkeit der Arbeitsrechtlichen Kommission. Er nehme deren Entscheidung "zur Kenntnis", erklärte er. Unabhängig davon werde sich sein Verband weiter für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege einsetzen, versicherte Neher. Für die Diakonie erklärte Personalvorstand Jörg Kruttschnitt, die Arbeitsrechtliche Kommission seines Verbandes werde sich am 26. Februar mit der Frage eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags befassen.
Scharfe Kritik kam von ver.di. Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler sagte, die Caritas handele "in krassem Widerspruch zu ihren eigenen Aussagen und Werten". Verlierer seien die 1,2 Millionen Beschäftigten in der Pflege: "Nach dem Klatschen kommt die Klatsche", sagte Bühler mit Blick auf die Belastung der Beschäftigten in der Corona-Krise. DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel sprach von einer Entscheidung der Arbeitgeber gegen bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen. Kritik kam auch von der Linken und den Grünen, die von einer vertanen Chance sprachen.
Die privaten Pflege-Arbeitgeber begrüßten den Beschluss der Caritas-Kommission. Der Präsident des bpa Arbeitgeberverbands, Rainer Brüderle, erklärte, die ARK der Caritas habe trotz hohen politischen Drucks ein Bekenntnis zur grundgesetzlich verankerten Tarifautonomie sowie zur Arbeit der Pflege-Mindestlohnkommission abgegeben. Die privaten Pflege-Anbieter lehnen einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag ab. Sie kritisieren außerdem, dass die BVAP und ver.di nur eine Minderheit der Beschäftigen repräsentieren und es deshalb nicht dazu kommen dürfe, dass der Altenpflege-Tarifvertrag für die gesamte Branche verbindlich sei.