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Initiative plädiert für Systemwechsel in der Pflege



Gute Pflege ist teuer und immer weniger Menschen in Deutschland können sie sich leisten. Die Initiative Pro-Pflegereform setzt sich für einen Systemwechsel in der Pflege ein und fordert die Politik zum Handeln auf. Die Fachleute werben für die Trennung von ambulanter und stationärer Pflege - auch aus Kostengründen.

Die Pflegekosten steigen stetig. Deshalb fordert die Initiative Pro-Pflegereform einen grundlegenden Systemwechsel. Der Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung, Bernhard Schneider, forderte am 16. Februar in Stuttgart bei einer Veranstaltung der Initiative Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf, "zu liefern".

Am 4. November 2020 hatte das Gesundheitsministerium ein Eckpunktepapier vorgelegt, das unter anderem eine Deckelung des Eigenanteils an den Kosten für die stationäre Pflege bei 700 Euro über drei Jahre vorsieht. Außerdem sollten danach die Länder bei den Investitionskosten der Heime einen Anteil von 100 Euro übernehmen.

Mit ihrem Appell erhöht die Initiative den Druck auf die Politik, schnellstmöglich einen "Neustart Pflege" einzuleiten. Die 2016 gegründete Initiative Pro-Pflegereform setzt sich für eine Neustrukturierung und Neufinanzierung der Pflege ein. Nach ihren Vorstellungen soll es keine Trennung von stationärer und ambulanter Pflege mehr geben.

Bündnis vereint über 120 Unternehmen

Der Initiative gehören nach eigenen Angaben mehr als 120 Pflegunternehmen sowie über 60 Verbände und Organisationen an. Zu den Mitgliedern und Unterstützern zählen unter anderen die Evangelische Heimstiftung mit Sitz in Stuttgart, das Wohlfahrtswerk Baden-Württemberg, die Evangelische Altenheimat und das Evangelische Johanneswerk.

Ohne eine Reform würden die steigenden Pflegekosten immer mehr alte Menschen in die Sozialhilfe treiben, sagte Bernhard Schneider. Die 1994 eingeführte Pflegeversicherung decke die Kosten für die Pflege bei weitem nicht mehr ab. Der Eigenanteil an den Kosten für die stationäre Pflege, der neben Pflege und Betreuung auch einen Investitionskostenanteil, Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie eine Ausbildungszulage enthält, sei für viele Menschen unerschwinglich geworden.

Steigende Eigenanteile werden unbezahlbar

Der Eigenanteil ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich hoch, im Bundesdurchschnitt liegt er bei 2.068 Euro pro Monat. Mit 2.405 Euro ist Pflege in Baden-Württemberg hinter Nordrhein-Westfalen bundesweit am zweitteuersten. Grund für die seit 2016 kontinuierlich steigenden Kosten sind unter anderem neue Personalschlüssel und die tariflich festgelegten Personalkosten.

Lediglich ein Drittel der Pflegeheimbewohner sei in der Lage, die Pflegekosten aus ihrem laufenden Einkommen zu bezahlen, legte Professor Heinz Rothgang von der SOCIUM Universität Bremen dar. "Das heißt, 60 Prozent müssen auf Restvermögen, Immobilienvermögen und am Ende auf Sozialhilfe zurückgreifen", sagte Rothgang.

Lob für erste Vorschläge des Ministers

Rothgang ist Autor zweier Gutachten zur Alternativen Ausgestaltung der Pflegeversicherung. Er rechnete aus, dass die Umsetzung der Reformvorschläge des Gesundheitsministeriums die Sozialhilfequote um zehn Prozent absenken würde, sie ohne Reform jedoch um 45 Prozent ansteigen werde. "Jens Spahns Vorschläge sind in Bezug auf die Sozialhilfequote wie eine Brandmauer", sagte Rothgang.

Hochrechnungen zeigten, dass langfristig auch die ostdeutschen Bundesländer von einer Deckelung des Eigenanteils profitieren würden, sagte Rothgang mit Blick auf die steigenden Personalkosten. Weil die Personalkosten dort noch nicht so hoch sind, hatten diese Bundesländer die Obergrenze zuletzt als für sie nutzlos kritisiert.

Diesen Einwand sieht Schneider durch die Gutachten von Heinz Rothgang widerlegt. "Die Vorschläge von Jens Spahn sind ein Schritt in die richtige Richtung", sagte er. Das Eckpunktepapier des Bundesgesundheitsministeriums bedeute einen Systemwechsel innerhalb der Pflege. Es verlagere die zukünftigen Kosten zur Qualitätssicherung von den Pflegebedürftigen auf alle Versicherten und mache so Eigenanteile kalkulierbar.

Bei dem zurzeit ebenfalls diskutierten Vorschlag einer relativen, prozentualen Deckelung des Eigenanteils sei das nicht der Fall, so Rothgang. Mittel- oder Langfristig würden die Eigenanteile und somit auch die Sozialhilfekosten bei diesem Modell wieder ansteigen, prognostizierte der Gesundheitsökonom.

Er hoffe, dass die Bundesregierung den Referentenentwurf für ihren "Sockel-Spitze-Tausch" bei der Pflege noch vor dem Eintritt in den Wahlkampf vorlege, sagte Schneider. Der Zeitpunkt sei nie günstiger gewesen als jetzt, denn es gebe zurzeit die Chance auf einen "parteiübergreifenden Kompromiss".

Susanne Lohse


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